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Wie erlebt ein Dreizehnjähriger aus gutem Hause den Ausbruch<br />

einer Revolution? Darf er überhaupt auf die Straße? Sind<br />

Türen und Fenster der Buchhandlung verrammelt? Gibt es<br />

schulfrei, wenn Revolution ist? Werden Schularbeiten erlassen?<br />

Fällt der Konfi rmandenunterricht aus? Oder ist der Junge wieder<br />

unterwegs mit dem Lieferfahrrad? Der 1. November ist ein<br />

Freitag. Das Wochenende steht vor der Tür. Am Abend müssen<br />

die Mappen bei den Kunden sein. Kurt ist zuverlässig, bummelt<br />

eigentlich nie. Aber heute ist alles anders. Es dunkelt früh. Nebel<br />

hängt über der Stadt, triefend, feucht. Kalt ist es auch. Kiel im<br />

November. Was erfährt der Junge bei den Familien, denen er die<br />

Mappen bringt? Sind sie in Angst, wütend, aufgebracht? Haben<br />

sie überhaupt Interesse an der neuen Gartenlaube?<br />

Die Deutschen haben wenig Erfahrungen mit Umstürzen. Der<br />

letzte hatte 1848, vor siebzig Jahren also, stattgefunden und war<br />

schnell in der Zwangsjacke der Restauration erstickt worden. Dass<br />

ausgerechnet Kiel, Yachthafen Seiner Majestät, Hochburg der<br />

kaiserlichen Marine, nun Keimzelle zivilen und, schlimmer noch,<br />

militärischen Ungehorsams sein sollte, ist kaum zu glauben.<br />

Der nächste Morgen ist grau und nasskalt wie der Morgen zuvor.<br />

Die Marineleitung ist zum harten Durchgreifen entschlossen,<br />

sie gibt Order, alle Versammlungen zu unterbinden. Nur fi ndet<br />

sie kaum noch loyale Truppen, um den Befehl in die Tat umzusetzen.<br />

Inzwischen haben sich aufgebrachte Matrosen, Soldaten und<br />

Arbeiter zusammengetan. Am Sonntag, dem 3. November, wollen<br />

sie sich zu einer Kundgebung auf dem Exerzierplatz am Stadtrand<br />

treffen. Sonntag, das ist gut. Schulfrei, keine Mappen, die<br />

zugestellt werden müssen. Das kann spannend werden. Durch die<br />

nebelverhangenen Straßen marschieren Soldaten, Matrosen, Arbeiter<br />

und Arbeiterinnen. Da draußen braut sich was zusammen.<br />

Dicke Luft in Kiel. Besser, die Kinder bleiben im Haus. Annchen<br />

sorgt dafür, dass Kurt nicht zum Exerzierplatz rennt.<br />

Die Gefahr ist mit Händen zu greifen. Tausende haben sich<br />

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