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Zu seinen später oft bewunderten und gefürchteten Fähigkeiten<br />
gehört, dass er Zahlen sehr schnell erfasst. Die Bilanzen seines<br />
Vaters braucht er nur zu überfl iegen, um zu wissen, woran er ist:<br />
Die Zahlen des kleinen Familienunternehmens sind schwarz und<br />
kerngesund. »Weißt du eigentlich, was du mit dem Lesezirkel für<br />
eine Rendite machst?«, fragt er den Vater. Der blickt seinen Sohn<br />
erstaunt an. »Warum fragst du?«, will er wissen. »Du solltest das<br />
Unternehmen auf Deutschland ausdehnen«, sagt Kurt <strong>Ganske</strong>.<br />
Wie hat der Vater reagiert? Mit einem Lachen? Entsetzt? Skeptisch?<br />
Begeistert? Der Sohn lässt nicht locker, legt seinem Vater<br />
Berechnungen vor, sie beugen sich über eine Deutschlandkarte.<br />
Kiel liegt am Rand, verliert zunehmend an Bedeutung. Der Glanz<br />
der Marine ist verblasst, der Versailler Vertrag verbietet den Bau<br />
neuer Kriegsschiffe; die Werften stellen ihre Produktion auf<br />
Fischdampfer und Eisenbahnwagen um. Viele Werftarbeiter werden<br />
arbeitslos, die Zahl der Marineangehörigen geht zurück, Kiel<br />
schrumpft. Die Zukunft liegt woanders.<br />
1926 zieht die Zentrale des Lesezirkel Daheim nach Hanno -<br />
ver – vom Rand in die Mitte, wie eine Spinne ins Netz, ideal zum<br />
Spinnen der Fäden. Hannover ist eine Stadt der guten Verbindungen,<br />
das Kreuz zwischen Hamburg und München, Köln und<br />
Königsberg; die Bahnlinien, die Rhein und Ruhr mit der Hauptstadt<br />
verbinden, führen durch Hannover. Es ist eine selbstbewusste<br />
und aufstrebende Stadt, die sich der Juniorchef des Lesezirkel<br />
Daheim als strategische Mitte seines Imperiums ausgewählt hat.<br />
Alle Wege führen an die Leine. Die Stadthalle am Corvinusplatz<br />
gleicht nicht ohne Absicht dem Pantheon in Rom; überall in der<br />
Stadt werden helle Arbeiterwohnungen in raumgreifenden Backstein-Kolonien<br />
gebaut, und als Signal für die aufstrebende Pressestadt<br />
wird Fritz Höger, der Expressionist unter den Architekten,<br />
bald sein Anzeiger-Hochhaus errichten, als Stahlbeton-Skelettbau<br />
im dunklen Maßanzug doppelt gebrannter Ziegel. Die kupferne<br />
Kuppel des Planetariums auf dem Dach greift nach den Sternen.<br />
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