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Wirkung. Das letzte im Dritten Reich ausgestellte Dokument, das<br />
Kurt <strong>Ganske</strong> bei sich trägt, ist ein Sonderausweis, gültig nur für<br />
Dienstreisen, der ihn berechtigt, zu seiner neuen Dienststelle zu<br />
reisen. Er bekommt Brot und Marschverpfl egung für zwei Tage.<br />
Er kommt nicht weit. Russische Soldaten nehmen ihn fest. Er<br />
ist nun Kriegsgefangener, rumpelt auf der Pritsche eines Lastwagens<br />
zusammengepfercht mit anderen Kameraden einer ungewissen<br />
Zukunft entgegen. Die Kolonne hält, ein Posten ist abgelenkt<br />
– eine Chance. Er springt von der Ladefl äche, rennt davon und<br />
versteckt sich in einem Wald. Er wartet die Nacht ab und marschiert<br />
nach Westen. Am Tag versteckt er sich. Die Straßen sind<br />
voller Flüchtlingstrecks, dazwischen Soldaten, Truppentransporte,<br />
Verwundetentransporte. Sie werden von Tieffl iegern angegriffen;<br />
Feldwege geben keine Deckung, Partisanen machen Jagd auf<br />
Deutsche, Deutsche machen Jagd auf Partisanen und auf Deserteure.<br />
Deserteure werden erschossen, von der SS oder von Hitlerjungen.<br />
Wer die weiße Fahne zeigt, wird erschossen, Bürgermeister,<br />
die ihre Stadt kampfl os übergeben wollen, werden erschossen<br />
oder aufgehängt. Bonzen gehen stiften. All das geschieht um ihn<br />
her, in den Dörfern, in den Städten. Er wandert im Schutze der<br />
Dunkelheit, ein Feldkompass hilft ihm bei der Orientierung.<br />
Er weiß nicht, dass der Marschbefehl in seinem Schuh längst<br />
wertlos ist. Die Hilfszüge im fernen Hohenhaus sind samt Oberstleutnant<br />
Henkel abgezogen. Die Amerikaner waren schon bis an<br />
die Werra vorgerückt. Kurt <strong>Ganske</strong> ahnt nichts davon. Er gewöhnt<br />
sich an die Nachtmärsche, schläft am Tage, erschöpft und tief.<br />
Nördlich von Regensburg schwimmt er über den eiskalten Regen.<br />
Irgendwo im Bayerischen Wald nimmt ihn eine Bauernfamilie<br />
auf. Die Leute sind rührend um ihn bemüht, lassen ihn eine Woche<br />
lang bei sich wohnen. Sie schenken ihm ein weißes Hemd,<br />
Jacke und Hose, ein paar Schuhe und wünschen ihm Glück auf<br />
seinem Weg. Er geht nun auch tagsüber, fühlt sich sicher in der<br />
Zivilkleidung und achtet peinlich auf ihren gepfl egten Zustand.<br />
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