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Kurt <strong>Ganske</strong> auch. Er bestellt sechsunddreißig Schreibmaschinen.<br />

Sein Vater reagiert entsetzt: »Jetzt bist du größenwahnsinnig<br />

geworden!« Es bleibt nicht bei den Schreibmaschinen. Der junge<br />

Mann, seit einem Jahr Besitzer eines Führerscheins, erklärt: »Ich<br />

brauche mindestens zweihundert bis dreihundert Autos.« Der Vater<br />

mag den Kopf geschüttelt haben über die Pläne seines Sohnes.<br />

Vielleicht haben ihn die Zahlen überzeugt, vielleicht auch die<br />

neuen, besseren Rabatte, die der Sohn bei Ullstein und Mosse in<br />

Berlin herausgehandelt hat. Er lässt ihn machen. Ohne seinen<br />

ewig drängenden, planenden Sohn hätte der inzwischen 50-Jährige<br />

sich auch eine mäßigere Gangart vorstellen können. Der Mann,<br />

der es vom Werftarbeiter zum Buchhändler gebracht hatte, wäre<br />

vielleicht in Kiel geblieben, mit Hannover als Filiale, zufrieden<br />

mit dem Erreichten, bescheiden und stolz zugleich. Der Sohn ist<br />

anders, für ihn liegt die Zukunft hinter dem Horizont, seine Welt<br />

will noch erobert werden.<br />

Er zieht seine Sache durch, planmäßig, Schritt für Schritt; fährt<br />

durchs Reich, ein Gründer, der den Radius seines Zirkels ständig<br />

erweitert, neue Kreise zieht, von Kiel und dann von Hannover<br />

aus. Er sinniert über Landkarten und Stadtplänen, rechnet Verbindungen<br />

aus, Vertriebswege, Lieferbedingungen. Er analysiert<br />

potenzielle Leserschaften: wo sie leben, wie sie leben, was sie lesen.<br />

Er wandert durch die Städte, erkundet ihre Topographie, nimmt<br />

Messtischblätter zur Hilfe und zieht historische Kupferstiche des<br />

Matthäus Merian aus dem 17. Jahrhundert zu Rate, die er zu sammeln<br />

beginnt. Danach sucht er Lager in Bahnhofsnähe, Geschäftsräume,<br />

heuert Leute an. Bevor er eine Stadt besucht, kündigt er<br />

sein Kommen an – per Kleinanzeige im Lokalblatt; wo er zu treffen<br />

ist und wann er Sprechstunde hat. Meist wählt er dafür ein Zimmer<br />

in einem Gasthof oder Hotel. Meist stehen Schlangen vor der<br />

Tür. Er schaut sich die Leute an, fragt sie aus, prüft sie, stellt sie ein<br />

oder nicht und erwirbt sich in diesen Gesprächen eine Menschenkenntnis,<br />

die ihm später manche Enttäuschung erspart.<br />

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