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gewicht und verliebt bis über beide Ohren. Schuld daran ist Olga<br />

Tschechowa, seine Freundin.<br />

Er trinkt mit ihr bei Schilling am Kudamm einen Kaffee. »Lass<br />

uns ins Kino gehen«, schlägt sie vor, »im Gloria Palast läuft ›Die<br />

vom Rummelplatz‹.« Er zögert, sie drängt. »Deine Nachbarin, die<br />

Ondra, hat darin eine Bombenrolle!« Die Ondra wohnt am Sachsenplatz,<br />

Anny Ondra, ein bekanntes und sehr schönes Gesicht,<br />

ein Stummfi lmstar, blond, mit großen blauen Augen und eigener<br />

Filmproduktion in Berlin. Eigentlich heißt sie Anna Ondráková,<br />

geboren am 15. Mai 1903 im polnischen Tarnów als Tochter eines<br />

österreichischen Offi ziers. Bisher war ihm nur ihr blauer Cadillac<br />

aufgefallen. Jetzt sieht er sie riesengroß auf der Leinwand<br />

schmachten, kriegt glänzende Augen. »Sie bezauberte mich auf<br />

den ersten Blick«, schreibt er später in seinen Erinnerungen. Er<br />

ist diesem Gesicht verfallen, verliebt in das Mädchen vom Rummelplatz.<br />

»Ich möchte sie kennen lernen«, sagt er zur Tschechowa,<br />

»kannst du das arrangieren?« Was für ein Ansinnen! Die Diva ist<br />

pikiert: »Das musst du schon selber tun. Zum Kuppeln eigne ich<br />

mich nicht.« Er versucht es selbst, stellt es ziemlich ungeschickt<br />

und umständlich an; der Cham pion kommt nicht aus der Deckung,<br />

schickt Freunde vor, legt wochenlang jeden Morgen einen<br />

Blumenstrauß auf ihren Cadillac. Die Schöne erhört ihn; kommt<br />

zum Tee ins Nachbarhaus, ein Gegenbesuch bleibt nicht aus. Ob<br />

die Entscheidung in der achten, neunten oder zehnten Runde<br />

fällt, ist nicht von Belang. Sie heiraten, ein Traumpaar der Berliner<br />

Gesellschaft.<br />

Die Szene am Sachsenplatz bleibt gelassen. Man grüßt sich,<br />

kennt sich fl üchtig, geht aneinander vorbei. Der Buchhändler<br />

Kurt <strong>Ganske</strong> lebt unter Künstlern, ohne dass er es darauf angelegt<br />

hätte. Der Nachbar aus dem vierten Stock wird ihm schnell<br />

vertraut, ein origineller Kopf mit markanter Nase und blassen,<br />

klugen Augen. Er muss schon über fünfzig sein, sieht ziemlich<br />

elend aus, geht gern mit Frau Lehmann, seinem Dackel, spazieren<br />

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