Die Internationale I.A.A. V 0.2
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<strong>Die</strong>se Sätze scheinen vielversprechend<br />
zu sein, in Wirklichkeit<br />
sind sie alt und orthodox marxistisch.<br />
Sie sind nur eine Ableitung des marxistisehen<br />
Gedankens, daß die Produktions-<br />
Verhältnisse den wirtschaftlichen Unterbau<br />
der Gesellschaft bilden. Mit dem<br />
Aussprechen dieser Sätze ist aber noch<br />
nichts getan. Und wenn man etwa<br />
glaubt, daß mit dem neuen Gewerkschaftsarchiv<br />
ein Schritt zu syndikalistischer<br />
Erkenntnis gemacht wurde, so<br />
wird man dann doch belehrt, daß es sich<br />
um eine ganz andere Entwicklungslinie<br />
handelt. Der Herausgeber des Gewerk-<br />
Schaftsarchivs vertritt den Gedanken der<br />
Wirtschaftsdemokratie und des Wirtschaftsparlamentarismus,<br />
mit andern<br />
Worten: die Gewerkschaften sollen als<br />
selbständig wirtschaftliche Macht auftreten<br />
auf dem Gebiete der Sozialversicherung,<br />
Sozialpolitik, Sozialgesetzgebung<br />
usw. Sie sollen ferner das<br />
Problem der Arbeiterbanken, der Produktivgenossenschaften<br />
und Konsumgenossenschaften<br />
in ihren Bereich ziehen.<br />
Auch die Gedanken des Gildensozialismus<br />
sollen in Erwägung gezogen werden.<br />
Alles dies wäre freilich ein Fortschritt,<br />
und zweifelsohne finden sich auch<br />
hier und da Ansätze zu einem Ausblick<br />
in fortschrittlicher Richtung; im allgemeinen<br />
sind jedoch die Schritte derart<br />
zaghaft und noch so stark belastet<br />
mit dem Staatsgedanken, daß von<br />
einer Annäherung an die Gedankengänge<br />
des revolutionären Syndikalismus<br />
keine Rede sein kann. Man hat noch<br />
nicht einmal daran gedacht, den Staat<br />
zu beseitigen, sondern sieht in demselben<br />
ein Instrument, das mit neuen Kräften<br />
und neuem Inhalt aus den Reihen<br />
der Gewerkschatten erfüllt werden<br />
müsse. Und wie man dem Staat nicht<br />
ernsthaft zu Leibe rückt, so wagt man<br />
es auch nicht, dem Kapitalismus vollständig<br />
den Laufpaß zu geben. Das geht<br />
hervor aus den Sätzen: „Wie ist aber das<br />
Ziel der Ebenbürtigkeit zwischen Kapital<br />
und Arbeit und der Herbeiführung einer<br />
höheren wirtschaftlichen Lebensordnung<br />
am schnellsten und sichersten zu erreichen?<br />
Als Element der Wirtschaft<br />
mit dieser über einen durch formal-demokratische<br />
Wahl reaktionär wirkenden<br />
Staat oder mit Stimmzettel und Staat<br />
über eine Wirtschaft, die sich oft stärker<br />
als der Staat erwiesen hat. <strong>Die</strong> Wirtschaft<br />
lebendig und sehr wandlungsfähig, der<br />
Staat starr und verknöchert. Wenn man<br />
das Gesetz des Vorstoßes nach der Front<br />
Zeitschriften und Büchcrschau. 47<br />
des geringsten Widerstandes anwendet,<br />
wo ist der geringste Widerstand für die<br />
Gewerkschaftsbewegung auf dem Wege<br />
zu ihrem Ziele: bei der wandlungsfähigen<br />
aber starken Wirtschaft oder beim starren<br />
aber schwachen Staat? Ein interessanter,<br />
aber vollständig ungeklärter Fragenkomplex."<br />
<strong>Die</strong>se Worte zeigen, wie wenig man<br />
sich in den Kreisen der reformistischen<br />
Gewerkschaften klar ist über die Hauptfragen<br />
der sozialen Probleme überhaupt.<br />
Man tappt vollständig im Dunkeln. Man<br />
hat die Unfähigkeit der politischen<br />
Parteien eingesehen. Man gibt sogar<br />
zu, daß „der Kampf um die Macht-<br />
Verhältnisse der Klassen auf wirtschaftlichem<br />
Gebiete vor sich wird gehen<br />
müssen. Aber man verharrt auf dem<br />
Vertretungssystem und bleibt in autoritären<br />
Gedankengängen stecken.<br />
Das ist der Grund, weshalb man<br />
nicht zu einer einheitlich abgerundeten<br />
Weltanschauung kommen kann. Es fehlt<br />
das Bindeglied: die direkte Aktion.<br />
Vom sozialen Generalstreik findet man<br />
kein Sterbenswörtlein. Man bemerkt<br />
schon ganz richtig, daß die Lösung der<br />
sozialen Probleme im Sinne des Sozialismus<br />
nur durch wirtschaftliche Organisationen<br />
gefunden werden kann, man hat<br />
sich aber noch nicht zu dem Gedanken<br />
durchgerungen, daß die Gewerkschaften<br />
auch die Kraft entwickeln und vorbereiten<br />
müssen, durch eigene, direkte Aktionen<br />
und Kämpfe, durch den sozialen<br />
Generalstreik diese neue und höhere<br />
Wirtschaftsform einzuleiten. Wenn es<br />
erst des Weltkrieges und einer verpfuschten<br />
Revolution bedurft hat, um den fortschrittlichsten<br />
Elementen der reformistischen<br />
Gewerkschaften zu zeigen, daß die<br />
Gewerkschaften sich ein höheres Ziel<br />
stecken müssen und nicht alles den politischen<br />
Parteien überlassen dürfen, was<br />
wird dann erst dazu nötig sein, um die<br />
letzte Konsequenz zu ziehen, daß durch<br />
selbständigen Kampf revolutionärer Gewerkschaften<br />
der Kapitalismus und Staat<br />
gestürzt und eine höhere Wirtschafts- und<br />
Weltordnung das Zepter ergreifen kann?<br />
Wem daran gelegen ist, sich über<br />
den Charakter der reformistischen Zentralverbände<br />
und über ihre theoretischen<br />
Grundlagen auf dem Laufenden zu halten,<br />
der wird dies in dem Gewerkschafts-<br />
Archiv tun können. Es erscheint monatlich<br />
und ist um eine Mark per Heft zu<br />
haben im Verlag Gewerkschafts-Archiv,<br />
Jena, Camsdorfer Straße 10.