Die Internationale I.A.A. V 0.2
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128 HOLLAND<br />
einerseits reaktionäre Maßnahmen gegen<br />
die Arbeiterschaft und andererseits ihre<br />
imperialistischen Kolonialbelange.<br />
Obwohl die „christliche Regierung" die<br />
Löhne und Arbeitsverhältnisse der Arbeiter<br />
und kleinen Beamten im Staatsdienst<br />
und in den Staatsbetrieben, wie Post,<br />
Telegraph, Telephon und Eisenbahnen,<br />
verschlimmerte und die Last der direkten<br />
und indirekten Steuern schwer drückten,<br />
die noch fortwährend erhoben werden,<br />
damit die Regierung das Staatsbudget ins<br />
Gleichgewicht bringen kann, kam diese<br />
Regierung im Herbst 1923 mit einem<br />
Kriegsflottenplan, der etwa 400 Millionen<br />
Gulden kostete.<br />
<strong>Die</strong> holländische Arbeiterschaft war<br />
schwer zu Boden gedrückt von dieser<br />
wirtschaftlichen und politischen Reaktion.<br />
Durch die große Arbeitslosigkeit und den<br />
niedrigen Stand der Konjunktur gingen<br />
fast alle Abwehraktionen und Streiks<br />
verloren. Als aber die Regierung mit<br />
ihrem Vorschlag des Kriegsflottenplanes<br />
kam, erhob sich die Arbeiterschaft an<br />
vielen Orten, und eine kräftige Protestaktion<br />
setzte ein.<br />
In den ersten Monaten seines Lebens<br />
war der N.S.V. also gezwungen, diese<br />
Aktion mitzumachen. Zusammen mit den<br />
anderen freiheitlichen sozialistischen und<br />
anarchistischen Organisationen und Gruppen<br />
wurde ein revolutionäres Komitee<br />
eingesetzt. Am 23. September wurde in<br />
Rotterdam eine große Demonstration<br />
für das ganze Land einberufen, zum Protest<br />
gegen den Kriegsflottenplan der Regierung.<br />
Etwa 100 Ortsvereine waren vertreten<br />
und 2000 Arbeiter und Arbeiterfrauen<br />
erhoben ihre Stimme gegen diese<br />
Kriegsvorbereitung.<br />
<strong>Die</strong> sozialdemokratischen und reformistischen<br />
Gewerkschaften waren in<br />
Amsterdam versammelt. Das N.A.S. hielt<br />
zusammen mit der Kommunistischen Partei<br />
Hollands eine Demonstration ab. <strong>Die</strong><br />
bürgerlichen neutralen Gewerkschaften<br />
hielten ihre Demonstrationen im Haag ab.<br />
Unter dem Druck dieser direkten<br />
Massenaktion stimmte das holländische<br />
Parlament den Kriegsflottenplan der Regierung<br />
nieder. Zehn katholische Abgeordnete<br />
stimmten mit den „demokratischen"<br />
Elementen dagegen, natürlich<br />
nicht aus prinzipiellen Gründen, sondern<br />
aus taktischen Motiven.<br />
Der N.S.V. und die mit ihm verbündeten<br />
freiheitlichen Organisationen und Gruppen<br />
führten ihre Protestaktion auf prin-<br />
zipiell antimilitaristischer und antikapitalistischer<br />
Basis. Deswegen lehnten wir<br />
das Zusammengehen mit Kommunisten<br />
und Sozialdemokraten zielbewußt ab.<br />
Kaum war diese Aktion beendet, als<br />
der große Streik der Textilarbeiter in<br />
Twente (Osten des Landes) einsetzte. <strong>Die</strong><br />
Arbeitgeber wollten die Löhne um 10 %<br />
herabsetzen oder die Arbeitszeit verlängern.<br />
Sämtliche Arbeiterorganisationen<br />
lehnten dies ab, und die christlichen und<br />
reformistischen Organisationen proklamierten<br />
einen Teilstreik für eine Fabrik.<br />
Weil etwa 23 000 Arbeiter in dem ganzen<br />
Industriebezirk an diesem Lohnabzug<br />
teiligt waren, machte die bei dem N.S.V.<br />
angeschlossene Textilarbeiter-Föderation<br />
den Vorschlag, man sollte auf der ganzen<br />
Linie in den Ausstand treten. <strong>Die</strong>ser<br />
Vorschlag wurde von den anderen Organisationen<br />
abgewiesen. Und so wurde<br />
ein Streik für 150 Arbeiter proklamiert<br />
für eine Sache, an welcher 23 000 Arbeiter<br />
interessiert waren. Unter diesen Umständen<br />
lehnte die Föderation der Textilarbeiter<br />
die Verantwortung für solch eine<br />
Streikbewegung ab. Unsere Föderation<br />
wurde deshalb von dem N.A.S. scharf bekämpft.<br />
Nach einigen Wochen gingen die Arbeitgeber<br />
zum allgemeinen Angriff über,<br />
indem sie die Aussperrung für den ganzen<br />
Bezirk proklamierten, wodurch 23 000<br />
Arbeiter ausgesperrt wurden. <strong>Die</strong>ser<br />
Kampf hat 34 Wochen gedauert, bis die<br />
Arbeiter ihre Niederlage erlitten. Samtliehe<br />
Knechte des Kapitalismus standen<br />
den Arbeitern gegenüber: <strong>Die</strong> Behörden,<br />
Gerichte und Polizei, die christlichen Gewerkschaften,<br />
der Pastor und die Streikbrecher.<br />
<strong>Die</strong> Regierung hatte sogar Maschinengewehre<br />
nach dem Brennpunkt des<br />
Kampfes — Enschede — geschickt.<br />
<strong>Die</strong> kämpfende Arbeiterbevölkerung<br />
wurde brutal terrorisiert. Bis in ihre<br />
Wohnungen wurden sie von den Weißgardisten<br />
mißhandelt.<br />
Am 5. Mai 1924 öffneten die Fabrikbesitzer<br />
die Fabriken wieder, weil sie mit<br />
den christlichen Gewerkschaften zu einem<br />
Vergleich kamen, wodurch der Lohnherabsetzung<br />
um 7 % und einer bedeutenden<br />
Arbeitszeitverlängerung zugestimmt<br />
wurde.<br />
Durch diesen Verrat wurde die Arbeiterfront<br />
durchbrochen, aber in Enschede und<br />
einigen kleineren Orten beantworteten die<br />
Arbeitermassen die Wiedereröffnung der<br />
Fabriken mit Streik. Anstatt in die Fabriken<br />
hineinzugehen, proklamierten sie