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Die Internationale I.A.A. V 0.2

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RICHTUNGEN INNERHALB DER ARBEITERBEWEGUNG 11<br />

hinein in die Industriestädte, wo sie bequeme Ausbeutungsobjekte für das junge Unternehmertum<br />

abgaben. Konservative Grundbesitzer und liberale Industriebarone verbanden<br />

sich gegenseitig, um den Massenraub der kommunalen Ländereien planmäßig<br />

durchzuführen, an dem sie beide — jeder in seiner Art — interessiert waren.<br />

Fern von der heimatlichen Scholle, die man ihnen entrissen hatte, umrauscht vom<br />

Lärm der Maschinen und betäubt von all den neuen Eindrücken ihrer neuen Lebenslage,<br />

waren diese modernen Lohnsklaven zunächst gar nicht fähig, all das Neue und<br />

Ungewohnte, das von allen Seiten auf sie einstürmte, fassen zu können. Aber es<br />

dauerte nicht lange, bis sie den ganzen Ernst ihrer neuen Existenz verstehen lernten.<br />

Das Unternehmertum warf sich mit einer förmlichen Wut auf diese Leibeigenen der<br />

modernen Großindustrie, um den letzten Tropfen Lebenssaft aus ihnen herauszupressen.<br />

<strong>Die</strong> Arbeitskraft der Männer genügte ihm nicht, auch die Frauen und besonders die<br />

Kinder wurden mit hineingezwungen in die großen Betriebe und mechanischen<br />

Werkstätten, um der Gier des Unternehmertums blutigen Tribut zu zahlen. Es<br />

genügt, die Berichte der Fabrikinspektoren und die furchtbaren Beschreibungen einsichtiger<br />

Zeitgenossen jener Periode zu lesen, um zu begreifen, was die grauenvollen<br />

Ergebnisse jener „Entwicklung" sein mußten, die nach der Ansicht der englischen<br />

Oekonomisten dazu berufen war, England zum reichsten Lande der Welt zu machen.<br />

Unter diesen Umständen war es ganz natürlich, daß der Gedanke der Organisation<br />

sich unter den Arbeitern sozusagen von selber Bahn brechen mußte. <strong>Die</strong> Verhältnisse<br />

selbst und die bitteren Erfahrungen jeder Stunde hämmerten ihnen ohne Unterlaß die<br />

Idee eines engeren Zusammenschlusses zur Wahrnehmung ihrer Interessen ins Hirn.<br />

Jeder einzelne fühlte seine persönliche Ohnmacht in diesem neuen Spiel der Kräfte<br />

und suchte Kraft und Selbstvertrauen im Bunde mit seinen Kameraden und Leidensgefährten.<br />

So entstanden die ersten Gewerkvereine als die erste Form der modernen<br />

Arbeiterbewegung, die sich mit erstaunlicher Schnelligkeit verbreiteten.<br />

<strong>Die</strong>se erste Phase der Arbeiterbewegung richtete sich lediglich gegen die schreiensten<br />

Mißstände der kapitalistischen Wirtschaft, ohne dieser selbst zu nahe zu treten. Im<br />

Gegenteil, man träumte damals noch von einer Harmonie zwischen Kapital und Arbeit,<br />

und das Losungswort der Arbeiter jener Periode war: „Für redliche Arbeit ein redlicher<br />

Lohn."<br />

Trotzdem erkannte das Unternehmertum sofort die Gefahr, die ihm aus diesen<br />

Vereinigungen der Arbeiter erwachsen mußte, und bot all seinen Einfluß auf, um die<br />

Regierung zu veranlassen, die Gewerkvereine zu unterdrücken. So entstanden im<br />

Jahre 1800 im englischen Parlamente jene infamen Gesetze gegen die Arbeiterorganisationen,<br />

welche den Proletariern jede Vereinigung untersagten, die sich mit der wirtschaftlichen<br />

Verbesserung ihrer Lage befaßte.<br />

<strong>Die</strong>ses brutale Attentat auf das Organisationsrecht der Arbeiter rief in den Kreisen<br />

der letzteren eine ungeheure Verbitterung hervor, die um so begreiflicher war, als die<br />

Arbeiter, wenn sie sich den Gesetzen fügen wollten, der schrankenlosen Ausbeutung<br />

des Unternehmertums wehrlos preisgegeben waren. <strong>Die</strong> englische Arbeiterschaft<br />

fügte sich nicht dem Machtgebot der Bourgeoisie, und da man ihr das Recht geraubt<br />

hatte, öffentlich ihre Sache zu fördern, so mußten die Gewerkschaften im geheimen ihr<br />

Dasein fristen und ihre Zwecke erfüllen. Tausende von Arbeitern sind diesem Kampfe<br />

zum Opfer gefallen. Man warf sie in die Gefängnisse oder verschickte sie auf administrativem<br />

Wege nach den Strafkolonien von Australien, wo sie gestorben und verdorben<br />

sind.<br />

Aber die Arbeiter trotzten allen Gefahren, und die drakonischen Verfolgungen<br />

durch die Regierung machten den Kampf nur erbitterter. <strong>Die</strong> wirtschaftlichen Kämpfe,<br />

welche von den geheimen Gewerkschaften geleitet wurden, nahmen einen außergewöhnlich<br />

heftigen Charakter an und gingen in manchen Fällen bis zum bewaffneten<br />

Aufstand. <strong>Die</strong> Arbeiter zerstörten die Maschinenanlagen, steckten Fabriken in Brand,<br />

verwüsteten die Rohstoffe und bestraften Verräter in ihren Reihen mit dem Tode.<br />

Es ist klar, daß die geheimen Gewerkschaftsorganisationen schwere Opfer in diesem<br />

Kampfe zu bringen hatten, aber selbst die schlimmsten Verfolgungen waren nicht imstande,<br />

die geheimen Verbände der Arbeiter zu vertilgen.<br />

<strong>Die</strong>se Bewegung wurde, wie bereits erwähnt, keineswegs von sozialistischen Ideengängen<br />

inspiriert, sie wurde geboren aus den praktischen Verhältnissen des Lebens<br />

als natürliches Bollwerk gegen die unerhörten Anmaßungen und Ausbeutungsgelüste<br />

des Unternehmertums. <strong>Die</strong> Organisationen der Arbeiter jener Periode waren im<br />

vollen Sinne des Wortes Interessengemeinschaften, die den Zweck verfolgten, die

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