Die Internationale I.A.A. V 0.2

Die Lage in Spanien 37
Der Augenblick ist gekommen, da man die ganze Wahrheit sagen kann.
Wir können uns nicht damit abfinden, daß man fortfährt, das Volk zum
Narren zu halten. Wenn die Parteien der Linken sich zum Mitschuldigen
der Diktatur machen wollen, und wenn ihr Gewissen sie nicht hindert, dieses
schmutzige Werk zu verrichten, dann um so schlimmer für sie. Wir aber
wollen auf keinen Fall durch unser Schweigen Mitschuldige dieser Parteien
werden. Wir glauben nicht mehr an ihre Aufrichtigkeit. Unsere letzte
Hoffnung in ihr Tun hat sich verflüchtet.
Der Verdacht des Proletariats ist wohlbegründet; die Parteien der Linken
haben sich ihm genähert, um es besser kennenzulernen und um seiner
revolutionären Initiative leichter an den Hals zu kommen. Es genügt, sie
aus der Nähe zu beobachten, um sich davon zu überzeugen.
Vor einem Jahre sagten sie: „Nicht mit Artikeln und mit Reden kann
man dem Säbeldespotismus und der monarchistischen Schmach ein Ende
bereiten." Und wir waren natürlich einig mit ihnen. Sie sprachen von der
Erhebung als einzigem, würdigem und wirksamen Mittel. Was aber tun sie
heute? Sie sabotieren, ganz gleich wie, selbst durch die schamlosesten
Handlungen jede Möglichkeit, zur Erhebung zu kommen.
Das ist die traurige und schmerzliche Wirklichkeit.
Wenn die revolutionäre Bewegung sich mit der Errichtung der Republik
begnügen würde, wenn die Politikanten sicher wären, daß der Elan des
Proletariats, das das Herz voll heiligen Hasses hat und seinen Gerechtigkeitsdurst
stillen will, nicht diese Grenze überschreitet, dann wäre die Revolution
schon ausgebrochen. Sie wissen aber im Gegenteil, daß die spanische
Arbeiterklasse, wenn der Augenblick gekommen ist, den Versuch machen
wird, über den Kapitalismus und den Staat hinauszukommen.
Und dennoch ist die Situation in allen Beziehungen offen revolutionär.
Um den Nutzen daraus zu ziehen, der daraus zu ziehen ist, ist Energie erforderlich.
Zivilcourage. Jedermann muß die Verantwortung auf sich
nehmen. Jeder muß bereit sein, seinen Kopf in Gefahr zu begeben. Sind
die Politikanten dazu fähig? Mitnichten. Das einzige, was sie tun wollen
und tun können, das ist, die Rückkehr zur konstitutionellen Normalität zu
erwarten, die von den Herren der Stunde gewährleistet wird, und Wahlen
vorzunehmen. Und die Wahlen werden kommen, denn sie sind notwendig
zum Gleichgewicht des Systems, das uns erdrückt. Und dann werden die
Herren, die keinen Mut haben, etwas zu unternehmen, aller Heldentaten
fähig sein . . .
Aber — wird man sagen — nicht durch den Eingriff der Politiker darf
eine revolutionäre Situation verdorben werden: Noch ist die CNT. da.
Allerdings, sie ist ohne Zweifel da. Sie ist aber zerschlagen, zerrissen,
blutend vernichtet. Was kann sie unter diesen Umständen tun? Was
können ihre Führer tun, von denen ein Teil überall hin zerstreut und ein
anderer Teil in den Gefängnissen ist? Andererseits muß auch in Betracht
gezogen werden, daß zähe Hingabe, Energie, Tapferkeit nicht genügen. Man
benötigt auch andere Mittel, finanzielle Mittel. Und diese besitzt die
CNT. nicht.
Gerade weil sie das Versprechen gaben, diese Mittel bereitzustellen,
hat man die Mitarbeit der Politiker der Linken angenommen.
Das Direktorium hat, obwohl es tagtäglich versichert, noch einige Jahre
an der Macht zu bleiben, seine Nachfolgeschaft eröffnet. Es hat sich an die
Intellektuellen — Universitätsprofessoren, Schriftsteller, Architekten,
Ingenieure, Mediziner usw. — mit einem Appell gewandt und sie aufgefordert,
die Regierung mit zu übernehmen. Es handelt sich natürlich darum, daß der
Abgang der Diktatur, dank welcher Spanien ein negatives Element in dem