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Die Internationale I.A.A. V 0.2

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6 WANDLUNG IN DER STA ATS AUFFASSUNG DER SOZIALDEMOKRATIE<br />

Systems verwirklicht werden kann, daß er sich vielmehr neue politische<br />

Organe schaffen muß, um ins Leben treten zu können. Daß diese<br />

Lehre mit so viel Blut und Tränen und enttäuschten Hoffnungen erkauft<br />

werden mußte, ist sicherlich die tragischste Seite dieses Versuches.<br />

Nach dem Sozialistengesetz schuf sich die Sozialdemokratie auf<br />

dem Erfurter Parteitag ein neues Programm, in dem nicht mehr die<br />

Rede war, vom „Volksstaat" oder vom „freien Staate" wie in den Programmen<br />

von Eisenach und Gotha. <strong>Die</strong> Kritik, die Marx an dem<br />

Gothaer Programm geübt hatte, und die Engels acht Monate vor dem<br />

Parteitag in Erfurt in der „Neuen Zeit" veröffentlichte, hatte ohne<br />

Zweifel dazu beigetragen, daß das Bekenntnis zum Staate aus dem<br />

Programm verschwunden ist. Allerdings scheint auch hier die Frage<br />

nicht so ohne Widerstand von statten gegangen zu sein, denn nach der<br />

Aussage Bebels wurde dem Parteitag erst die sechste Umarbeitung<br />

des Programms zur Beratung vorgelegt.<br />

Demgemäß erklärte denn auch Bebel in der berühmten Zukunftsstaats-Debatte<br />

im Deutschen Reichstag, die sich unter der Reichskanzlerschaft<br />

des Fürsten Bülow abspielte, daß die Sozialdemokratie überhaupt<br />

keinen sozialistischen Zukunftsstaat, sondern eine sozialistische<br />

Gesellschaft erstrebe. Ein Wort, das Liebknecht aber sofort abschwächte,<br />

indem er der Meinung Ausdruck gab, daß es keinen Unterschied<br />

mache, wie man das Ding nenne — Staat oder Gesellschaft.<br />

Als dann die Opposition der Jungen bald nach dem Fall des Sozialistengesetzes<br />

einsetzte und sich nach dem Ausschluß ihrer Wortführer<br />

auf dem Parteitag von Erfurt als Partei der unabhängigen Sozialisten<br />

zusammenschloß, war es ein beliebtes Argument der Bebel,<br />

Kautsky usw., auf das Erfurter Programm hinzuweisen mit der Erklärang,<br />

daß man doch unmöglich von einer Verbürgerlichung der Partei<br />

reden könne, wenn sich dieselbe Partei soeben in Erfurt ein viel radikaleres<br />

Programm zugelegt habe. Aber Programme sind ein eigen<br />

Ding und beweisen an und für sich noch wenig für den revolutionären<br />

Charakter einer Bewegung, der letzten Endes immer in der Aktionskraft<br />

ihrer Anhänger seinen Ausdruck findet.<br />

Das Auftreten des Revisionismus und die langjährigen Kämpfe<br />

der sogenannten „Radikalen" gegen seinen wachsenden Einfluß in der<br />

Partei waren ein Beweis dafür, daß Programme nicht imstande sind,<br />

der Verbürgerlichung einer Bewegung einen Damm entgegenzusetzen.<br />

Der Kampf der Revisionisten mit den Radikalen ging weit über die<br />

Grenzen Deutschlands hinaus und spielte sich in mehr oder weniger<br />

breiten Formen in allen Ländern ab, in denen eine sozialdemokratische<br />

Bewegung vorhanden war. Theoretisch mochten die Kautsky, Cunow,<br />

Mehring, Plechanow noch so sehr in ihrem Rechte sein, taktisch aber<br />

waren sie den Revisionisten gegenüber stets im Unrecht. Denn der<br />

Revisionismus entwickelte sich folgerichtig aus der gänzlich parlamentarisch<br />

eingestellten Taktik der sozialistischen Parteien des In- und<br />

Auslandes.<br />

Mit der zahlenmäßigen Entwicklung der sozialdemokratischen<br />

Wählerschaft in den verschiedenen Ländern entstand die Frage wegen<br />

einer eventuellen Beteiligung der Sozialdemokratie an einer bürger-

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