Die Internationale I.A.A. V 0.2
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132 ITALIEN<br />
ITALIEN<br />
Bericht der Syndikalistischen Union Italiens zum II. Kongreß der <strong>Internationale</strong>n<br />
Arbeiter-Assoziation.<br />
In den zwei Jahren, die seit dem 1. Kongreß<br />
unserer I.A.A. verstrichen sind, hat<br />
sich unsere Lage in Italien in keiner Beziehung<br />
besonders verändert. <strong>Die</strong> Reaktion<br />
hat nicht aufgehört, sondern setzt ihre<br />
terroristischen Attentate und Gewaltsamkeiten<br />
fort, wenn diese auch nicht mehr so<br />
häufig vorkommen. <strong>Die</strong> Handlungen, die<br />
von den Faschisten ausgeführt wurden,<br />
ehe sie an die Regierungsmacht kamen,<br />
wurden nach Besitzergreifung der Macht<br />
durch Mussolini ebenso wie früher, jetzt<br />
mit Verantwortlichkeit der Regierung,<br />
fortgesetzt. Gerade zwei Monate nach<br />
dem ersten Kongreß der I.A.A. ergriffen<br />
die Faschisten die Macht. Der Staatsfaschismus<br />
will den Terror, den er ausübte,<br />
che er an die Regierung kam, d. h.<br />
seit 1920—1922, jetzt gesetzlich weiter<br />
fortsetzen. <strong>Die</strong> Unterdrückung aller Freiheiten,<br />
wie der Pressefreiheit, Ver-<br />
Sammlungsfreiheit, Koalitionsfreiheit, genügt<br />
der faschistischen Regierung nicht,<br />
sie organisiert noch besondere Unterdrückungsmaßnahmen,<br />
so daß der Verlust<br />
der obenerwähnten Freiheit als normaler<br />
Zustand betrachtet wird.<br />
Man wird leicht verstehen, daß wir<br />
unter diesen Umständen mit unerhörten<br />
Schwierigkeiten zu kämpfen haben.<br />
Unsere syndikalistische Union Italiens<br />
(U.S.I.) mußte ihre Tätigkeit auf ein sehr<br />
begrenztes Gebiet einschränken. Trotzdem<br />
beschäftigt sie sich mit wichtigen<br />
Problemen, sowohl wirtschaftlichen Gewerkschaftsfragen<br />
als auch allgemeinen<br />
sozialen Problemen, wobei sie die Direktiven<br />
ihrer Kongresse niemals überschritt.<br />
Angesicht der gegebenen Sachlage bestand<br />
die vornehmste Aufgabe der U.S.I.<br />
während der letzten zwei Jahre in der<br />
Organisierung und Aufrechterhaltung<br />
eines Roten Kreuzes für die Gefangenen<br />
und ihre Familien, besonders für deren<br />
Kinder. Es wurde ein besonderes Komitee<br />
für die Kinder unserer gefangenen Kameraden<br />
gebildet. Es ist fast unmöglich, die<br />
Anzahl unserer Gefangenen, Verbannten<br />
und flüchtigen Kameraden anzugeben.<br />
Es ist bekannt, daß die Regierung<br />
Mussolinis eine Amnestie erließ, wie sie<br />
größer und bedingungsloser nicht gedacht<br />
werden kann für alle Verbrechen, aber<br />
nur für jene, die für nationale Ziele<br />
begangen wurden. <strong>Die</strong> Amnestie er-<br />
streckte sich also nur auf die Faschisten<br />
selbst, die unter den Regierungen von<br />
Giolitti, Bonomi und Facta sich gegen die<br />
Gesetze vergangen hatten. Wenn es der<br />
Zufall wollte, daß einige unserer Kameraden<br />
durch Anwendung irgendeines<br />
untergeordneten Artikels des Amnestieerlasses<br />
befreit wurden, dann wurden diese<br />
von den Schwarzhemden (das ist der populäre<br />
Name der Faschisten) in ihrem<br />
Heimatsorte erwartet und mit Gewalt<br />
gezwungen, das Land zu verlassen. Das<br />
geschah natürlich aus Furcht, ihre Anwesenheit<br />
könnte bei der Arbeiterschaft<br />
Sympathien auslösen, denn man sah in der<br />
Tat bei einigen Prozessen Manifestationen<br />
zugunsten unserer Kameraden. Kamerad<br />
Modugno, einer der wenigen, die nach<br />
einem großen Prozeß freigesprochen<br />
wurden, wurde in der Stadt, wo er Sekretär<br />
der Arbeiterbörse der U.S.I. gewesen<br />
ist, mit Sympathiekundgebungen von<br />
Tausenden von Arbeitern empfangen.<br />
<strong>Die</strong> U.S.I. hat auch in dieser schwierigen<br />
Lage die eigentlichen Aufgaben der<br />
gewerkschaftlichen Bewegung nicht vernachlässigt.<br />
<strong>Die</strong> Tätigkeit mußte im geheimen<br />
geführt werden, und dabei handelt<br />
es sich um Dinge, die in allen anderen<br />
Ländern der Welt ganz selbstverständlich<br />
sind. Wir haben es schließlich fertiggebracht,<br />
mit den wenigen Kameraden, die<br />
in ihrem Wohnorte bleiben konnten, die<br />
Verbindung aufrechtzuerhalten oder<br />
mit denen in Verbindung zu kommen, die<br />
die Möglichkeit hatten, mittels irgendeines<br />
Vorwandes ihren Wohnort aufzusuchen.<br />
In den Betrieben, in den Dörfern und<br />
unter den Bauern wurden Gruppen gebildet<br />
und alle diese Gruppen standen mit<br />
dem Zentrum der U.S.I. in Mailand in<br />
Verbindung. Es war ein Keim unter der<br />
Erde, der bis zur Ermordung Mateottis,<br />
Juni 1924, am Leben blieb.<br />
Das Verbrechen gegen Mateotti war<br />
der letzte Tropfen, der den Kelch der<br />
Unzufriedenheit zum Ueberlaufen brachte.<br />
Mateotti war Kammerdeputierter der<br />
„Unitären", wie man die Richtung Turati,<br />
das heißt die rechtssozialistische Richtung<br />
in Italien nennt. <strong>Die</strong>se Partei war am<br />
meisten dazu geneigt, oder vom Schicksal<br />
dazu bestimmt, die Nachfolgerschaft der<br />
Macht nach Mussolinis Sturz anzutreten;<br />
es gab allerdings auch noch eine andere<br />
Möglichkeit, die das vorhergehende nicht