Die Internationale I.A.A. V 0.2
Die Internationale I.A.A. V 0.2
Die Internationale I.A.A. V 0.2
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Geschichtlicher Ueberblick über die freiheitliche<br />
Bewegung in Polen.<br />
Das polnische Proletariat war im<br />
Laufe der Jahre gewöhnt, einen revolutionären<br />
Kampf zu führen. In seinen nationalen<br />
und sozialen Kämpfen und Bedürfnissen<br />
geknechtet, in ungesetzlichen Verhältnissen<br />
des zaristischen Rußland,<br />
wurde es dem polnischen Arbeiter zum<br />
vollen Bewußtsein, daß er nur auf seine<br />
eignen Kräfte zu bauen hat, und nur was<br />
er mit eigner Kraft erobern wird, das wird<br />
ihm zuteil werden.<br />
In den Handels- und Industriestädten<br />
Polens, wie Lodz, Bielostok, Warschau und<br />
den Dombrowa-Kohlengruben lebte der<br />
revolutionäre Geist der Arbeiterschaft<br />
Polens, die vor keinen Maßnahmen im<br />
Kampfe um ihre ökonomischen Rechte<br />
zurückschreckte. Sie war immer zielbewußt<br />
und wandte alle Mittel, wie wirtschaftlichen<br />
Terror, Sabotage, bewaffneten<br />
Aufstand usw. an, und wollte sich in<br />
keinem Falle unterkriegen lassen.<br />
Der polnische Proletarier bekam den<br />
Stempel der im Kampfe notwendigen<br />
Widerstandsfähigkeit unter dem Joch des<br />
Zarismus, der revolutionäre Geist des<br />
Unterjochten entwickelte sich auf Grund<br />
verschiedener Umstände; es wirkte der<br />
Einfluß der herrschenden Regierung sehr<br />
fatal und destruktiv auf die polnische Arbeiterbewegung.<br />
<strong>Die</strong> „Polnische Sozialistische<br />
Partei" ging von den nationalpatriotischen<br />
Gefühlen aus, daß Polens<br />
Auferstehung geschehen muß, daß Polen<br />
ein unabhängiges polnisches nationales<br />
Kaisertum werden müsse.<br />
<strong>Die</strong> „Sozialdemokratische Partei"<br />
des Königreichs Polen und Litauen<br />
dagegen ging jedoch vom „internationalen"<br />
Standpunkte aus, d. h. sie verlangte<br />
die allgemeine russische demokratische<br />
Republik mit der vollen Autonomie<br />
Polens.<br />
Nur wenn diese Punkte ihres Programms<br />
erfüllt waren, schien es den erwähnten<br />
Parteien möglich, den Kampf für<br />
den Sozialismus zu führen.<br />
<strong>Die</strong> anarchistischen Tendenzen innerhalb<br />
der Arbeiterbewegung wurden, wo<br />
sie zum Vorschein kamen, von den national-patriotischen<br />
und politischen Parteien<br />
bekämpft und in den Hintergrund gedrängt.<br />
Bis 1905 spielte der Anarchismus in<br />
Polen keine große Rolle. Wenn auch<br />
POLEN 39<br />
POLEN.<br />
Keime des Anarchismus vorhanden waren<br />
und viele anarchistische Gruppen existierten,<br />
hatten diese jedoch keinen nachhaltigen<br />
Einfluß in weiteren Kreisen der<br />
Arbeitermassen.<br />
Im Jahre 1899 wurde in Genf durch<br />
eine dieser Gruppen das Buch von Bakunin<br />
„Gott und Staat" in polnischer<br />
Sprache herausgegeben. In demselben<br />
Jahre erschien in Galizien, wo die Zensur-<br />
Verhältnisse günstiger waren, das Buch:<br />
„<strong>Die</strong> Probleme des Sozialismus", unterzeichnet<br />
von einem gewissen Waltschewsky.<br />
Der Verfasser des<br />
Buches, ein armer Student der Warschauer<br />
Universität, wurde dann der berühmte<br />
Soziologe Eduard Abramowsky,<br />
der einzige Theoretiker des Anarchismus<br />
in Polen.<br />
Von demselben Verfasser erschien<br />
unter dem Pseudonym Tschaikowsky im<br />
Jahre 1904 in Lemberg ein zweites Buch:<br />
„Sozialismus und der Staat". — In seinen<br />
beiden Büchern kam Abramowsky zu dem<br />
Schlüsse, daß der einzige Weg zur Befreiung<br />
der Arbeiterklasse der herrschaftslose<br />
Sozialismus ist, der sich nur in<br />
verkörperten Gemeinschaften verwirklichen<br />
kann. — Abramowsky widmete<br />
sich ganz und gar seiner Lieblingsidee<br />
— der Genossenschaftsbewegung. Es<br />
erschienen noch zwei Broschüren über die<br />
Genossenschaften, teilweise dem Anarchismus<br />
gewidmet. Sein theoretisch-anarchistisches<br />
System bauend, war Ab ram<br />
o w s k y gleichzeitig der Anhänger des<br />
utopistischen Anarchismus, der den revolutionären<br />
Kampf nicht anerkennt.<br />
Außer dem Buche von Abramowsky:<br />
„Sozialismus und der Staat", welches in<br />
Lemberg erschien, erschienen auch dort<br />
Uebersetzungen der vortrefflichen Werke<br />
Kropotkins: „Memoiren eines Revolutionärs"<br />
(1904), „<strong>Die</strong> Eroberung des Brotes"<br />
(1903), wie auch „An die Jugend".<br />
Gleichzeitig arbeitete in Paris der<br />
Genosse Joseph Zielinsky, stud. med., der<br />
im Laufe von 5 Jahren (1901—1905) vier<br />
Broschüren herausgegeben hat, und zwar:<br />
„Der Generalstreik (1901), „Der falsche<br />
Sozialismus" (1902), „Ist der Anarchismus<br />
in Polen möglich" (1906), „<strong>Die</strong> kampffähigen<br />
gewerkschaftlichen Arbeitervereine".<br />
Inzwischen wurde es im Lande<br />
immer schwüler; die Vorahnung der Ereignisse<br />
von 1905 schwebte in der Luft.<br />
<strong>Die</strong> Reaktion und die Unterdrückung,