Die Internationale I.A.A. V 0.2

BEGRÜSSUNGEN DES II. KONGRESSES 71
An den II. Kongreß
der Internationalen Arbeiter-Assoziation in Amsterdam.
Werte Genossen!
Nachdem wir erfahren haben, daß zu den Kongreßarbeiten auch die Stellungnahme
zur Welthilfssprache Esperanto gehört, halten wir es für wichtig, einiges Wissenswerte
mitzuteilen.
Gewiß haben viele von Euch schon von der Nützlichkeit und Brauchbarkeit des
Esperanto gehört, vielleicht auch schon erlebt, während andere an die praktische Verwendungsmöglichkeit
einer Welthilfssprache noch nicht recht zu glauben vermögen.
Dieses Urteil beruht aber hauptsächlich auf Unkenntnis der Beschaffenheit der Sprache
und ihrer schon jetzt ungeheuren Verbreitung. Es hätte keinen Zweck, Euch ausführlich
über die Verbreitung des Esperanto bei Pfaffen, Kapitalisten, Radiosidioten und anderem
bürgerlichen Gesindel zu berichten, über die umfangreiche Esperantopresse, übersetzte
und Original-Literatur zu geben; selbst die Verbreitung des Esperanto unter Arbeitern
im allgemeinen ist heute für uns nicht von Wichtigkeit.
Es genügt, festzustellen, daß in unseren Reihen, unter Syndikalisten, Anarchisten
und anderen freiheitlichen Strömungen, Esperanto schon derart Fuß gefaßt hat, daß
sich jetzt eine Weltorganisation von Esperantisten auf freiheitlich-antiautoritärer Grundlage
gebildet hat. Diese Entwicklung zur rein-tendenziösen Esperanto-Organisation
mußte mit dem Erstarken der proletarischen Esperanto/Bewegung dahin führen. Daß
jetzt die anfänglich parteipolitisch neutrale proletarische Esperanto-Weltorganisation
„Semacieca tsocio Tutmonda" von den Parteikommunisten beherrscht wird, konnte nur
Anlaß, aber nicht der Grund zur Konstituierung von TLES. (Weltbund esperantistischer
Staatsgegner) sein.
Esperanto ist unter unseren Freunden und Genossen der ganzen Welt schon so weit
verbreitet, daß das Sekretariat der IAA. sich veranlaßt fühlte, auch eine Esperantos
Ausgabe des Pressedienstes der IAA. herauszugeben, um so mehr, da diese Esperantos
Ausgabe sich notwendig machte, als Esperanto nach der Verhaftung der tätigsten, die
englische Sprache beherrschenden Genossen in Japan das einzige Verständigungsmittel
mit unseren Genossen dortselbst blieb. Auch für den Verkehr mit den Genossen in
Ländern, in welchen die strengste Zensur neben anderen grausamen Unterdrückungsmaßnahmen
herrscht, erwies sich Esperanto als äußerst nützlich.
In der ersten Zeit konnte die Esperantos-Ausgabe des Internationalen Pressedienstes
nur mit großer Mühe gebracht werden, da die übersetzenden Kameraden als Handarbeiter
nicht mit der Schreibmaschine vertraut waren. Jetzt ist auch diese Schwierigkeit
behoben und es steht einer regelmäßigen Herausgabe nichts mehr im Wege.
Unseres Erachtens müßte die EsperantosAusgabe eine ständige Einrichtung bleiben,
da sie unerläßlich ist in den Fällen, wo die einzigen Verbindungsleute im internationalen
Verkehr, die Genossen nämlich, welche mehrere Sprachen beherrschen, durch
irgendwelche Gründe (Verhaftung usw.) ausgeschaltet werden und nicht sofort ersetzt
werden können.
Durch die leichte Erlernbarkeit der EsperantosSprache ist es möglich, daß sie
in alle Arbeiterkreise eindringt und keine bestimmte Bildungsstufe erforderlich macht.
Es wäre daher Euer Verdienst, allen Genossen in allen Ländern die Erlernung und
Anwendung des Esperanto für unsere Klassenziele recht eindringlich zu empfehlen
und ständig in der Presse aller der IAA. angeschlossenen Organisationen auf die
Wichtigkeit dieses universalen Verständigungsmittels hinzuweisen.
Bis dahin, bis in jedem Ort, in jeder Gruppe esperantokundige Kameraden vorhanden
sind, verfehlt nicht, die Dienste der bereits bestehenden antiautoritären
EsperantosOrganisation TLES. anzunehmen, welche Euch von den Sekretären der
einzelnen Länder in Kürze angeboten werden!
Indem wir Euch Vorstehendes zur Beherzigung empfehlen, wünschen wir aufs
richtigst einen vollen Erfolg allen Euren Kongreßarbeiten!
Mit revolutionären Brüdergrüßen
Berliner Gruppe anarcho-syndikalistischer Esperantisten
I. A.:
Bruno Lewandowski, Bernhard Czeppau, Hans Manske.
Alfred Julau, Artur Bolle.
Berlin, den 13. März 1925.