Die Internationale I.A.A. V 0.2
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ROCKER: STELLUNG DER I.A.A. ZU DEN VERSCHIEDENEN<br />
Sozialistenkongreß in Paris nahm noch im Jahre 1900 jene berühmte Resolution von<br />
Kautsky an, in der erklärt wurde, daß die „Sozialdemokratie einen Anteil an der<br />
Regierungsgewalt innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft nicht erstreben kann". Seitdem<br />
hat sich das Bild vollständig geändert. Der Revisionismus siegte auf der ganzen<br />
Linie, und die sozialistischen Arbeiterparteien der verschiedenen Länder sind heute<br />
so stark verwachsen mit den Gebilden der nationalen bürgerlichen Staaten, daß sie<br />
nur noch als Bestandteile derselben aufgefaßt werden können und für die Bestrebungen<br />
einer internationalen Befreiung der Arbeiter aus den Ketten der Lohnsklaverei und<br />
des Klassenstaates überhaupt nicht mehr in Betracht kommen.<br />
Auch die Staatsauffassung dieser Parteien hat sich heute grundsätzlich geändert.<br />
Vertraten die meisten von ihnen den alten marxistischen Standpunkt, daß mit dem<br />
Verschwinden der Klassen auch der Staat langsam absterben müsse, so sind heute die<br />
namhaftesten Theoretiker der deutschen Sozialdemokratie der Ansicht, daß der Staat<br />
in der Zukunft seiner Herrschaft über die verschiedensten Gebiete des gesellschaftlichen<br />
Lebens noch weit verstärken werde, und daß die Voraussetzungen von Marx und<br />
Engels in dieser Hinsicht durchaus falsch gewesen sind.<br />
Daß die I.A.A. mit diesen Richtungen nicht paktieren kann, ist ebenso klar als<br />
selbstverständlich. Es handelt sich hier um Strömungen, die ihrer ganzen prinzipiellen<br />
und taktischen Einstellung nach uns diametral entgegengesetzt sind. Auch ist es ganz<br />
natürlich, daß ein Zusammengehen von Richtungen, von denen die eine ihre ganze<br />
Tätigkeit fast ausschließlich auf die parlamentarische Betätigung abgelegt hat, während<br />
die andere den Arbeitern immer wieder versichert, daß ihre Ziele nur auf dem Wege<br />
der direkten Aktion zu erreichen sind, unmöglich ist. Wohl verwerfen auch wir nicht<br />
die politische Aktion, schon deshalb nicht, weil ja jeder größere Wirtschaftskampf,<br />
jede antimilitaristische oder gegen den Staat gerichtete Propaganda an und für sich<br />
politischer Natur sind, aber wir lehnen prinzipiell jenen Teil der politischen Aktion<br />
ab, der in der parlamentarischen Betätigung zum Ausdruck kommt, weil wir in derselben<br />
nur eine Irreführung der Arbeiter sehen.<br />
Aber auch in bezug auf die Kommunistische Partei und ihre verschiedenen Filialen<br />
in Europa und Amerika kann unsere Stellung keine andere sein. Sie hat alle Fehler<br />
und Gebrechen des zentralistischen Parteiwesens auf die Spitze getrieben und ist<br />
autoritär bis auf die Knochen. In der Wirklichkeit sind die kommunistischen Parteien<br />
der verschiedenen Länder lediglich Organe der auswärtigen Politik der russischen<br />
Kommissariokratie, die auf denselben Machtprinzipien aufgebaut ist wie jeder andere<br />
Klassendespotismus. Für die Befreiung der Arbeiter vom Joche der Lohnarbeit und<br />
der staatlichen Bevormundung kommt die K.P. ebensowenig in Betracht wie die<br />
sozialdemokratischen Parteien, von denen sie sich übrigens prinzipiell gar nicht unter<br />
scheidet. Sind die letzteren Sicherheitsventile für die besitzenden Klassen, so ist die<br />
K.P. nur ein politisches Druckmittel für die Regierungskünste des bolschewistischen<br />
Staates. Dazu kommt noch, daß gerade die Kommunistische Partei durch ihre<br />
jesuitische Methode der Zellenbildung innerhalb anderer Arbeiterorganisationen, um<br />
dieselben zu zertrümmern, eine besondere Gefahr geworden ist. Es war diese Tatsache,<br />
welche die Anarcho-Syndikalisten Deutschlands seinerzeit auf ihrem Kongreß<br />
in Düsseldorf dazu brachte, den Beschluß zu fassen, daß die Mitglieder ihrer Organisation<br />
keiner politischen Partei angehören können. Selbstverständlich ist es nicht<br />
meine Absicht, diesem Beschlüsse internationale Geltung verschaffen zu wollen. Das<br />
ist Sache der Organisationen in den einzelnen Ländern. Es genügt mir, an dieser<br />
Stelle noch einmal auf eine Gefahr hinzuweisen, die auch für unsere Organisationen<br />
besteht und nicht von der Hand zu weisen ist.<br />
Was nun die beiden Gewerkschafts-<strong>Internationale</strong>n von Amsterdam und Moskau<br />
anbetrifft, so könnte ich hier fast dasselbe wiederholen, was ich bereits in bezug auf<br />
die sogenannten Arbeiterparteien gesagt habe. <strong>Die</strong> Amsterdamer <strong>Internationale</strong> ist<br />
das Symbol des vollendetsten Reformismus auf gewerkschaftlichem und politischem<br />
Gebiete. Obwohl die ihr angeschlossenen Landeszentralen organisatorisch selbständige<br />
Körperschaften vorstellen, so stehen sie aber vollständig unter dem geistigen Einfluß<br />
der reformistischen Arbeiterparteien, mit denen sie fast überall Hand in Hand zusammenarbeiten.<br />
<strong>Die</strong>se Einstellung bedingt nicht bloß ihre possibilistische Haltung<br />
allen Bestrebungen der Zukunft gegenüber, sie ist auch entscheidend für ihre Methoden,<br />
die sich immer mehr auf ein fortgesetztes Verhandeln unter möglichster Ausschaltung<br />
aller größeren Kämpfe eingestellt hat. Dadurch wird nicht nur der Kampfesmut der<br />
Arbeiter systematisch gebrochen, sondern allen wirklichen Klassenkämpfen direkt die