Die Internationale I.A.A. V 0.2
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12 ROCKER: STELLUNG DER I.A.A. ZU DEN VERSCHIEDENEN<br />
Lage der Arbeiter innerhalb der kapitalistischen Gesellschaft so günstig wie möglich<br />
zu gestalten, und Streiks, Boykotts, Sabotage usw. mußten ihnen in ihrem Kampfe<br />
als Mittel der Aktion dienen.<br />
Nachdem im Jahre 1825 das englische Parlament die Berechtigung der Gewerkschaften<br />
gesetzlich anerkannte, versuchte Robert Owen, der Pionier des englischen<br />
Sozialismus, in der ersten Hälfte der dreißiger Jahre die Gewerkschaften mit sozialistischem<br />
Geiste zu erfüllen. <strong>Die</strong> „Grand National Consolidated Trades Union", die<br />
er zu diesem Zweck mit anderen ins Leben rief, erfreute sich auch auf kurze Zeit<br />
großer Sympathien unter den Arbeitern, aber sie fiel bald den ungeheuerlichen Verfolgungen<br />
der Regierung zum Opfer. Teilweise hatte auch die neuentstandene Bewegung<br />
der Chartisten dazu beigetragen, ihren Untergang zu besiegeln, da diese erste<br />
Form einer politisch-parlamentarischen Arbeiterbewegung in den breiten Massen des<br />
Proletariats Hoffnungen erweckten, die sich natürlich nicht erfüllen konnten.<br />
Während sich auf diese Weise in England die ersten Organisationen der modernen<br />
Arbeiterbewegung entwickelten, entstanden auf dem Kontinent, vornehmlich in Frankreich,<br />
eine ganze Reihe sozialistischer und sozial-reformistischer Schulen und Richtungen,<br />
die eine mehr oder weniger gründliche Umwälzung der wirtschaftlichen Grundlagen<br />
der Gesellschaft anstrebten. Männer wie Fourier, Saint Simon und ihre Schüler<br />
und etwas später Buchez, Leroux, Cabet, Proudhon, Vidal, Pecqueur, Blanc usw. —<br />
neben ihnen die sozialistischen Jakobiner, die sich in den Geheimgesellschaften zur<br />
Zeit des sogenannten Bürgerkönigtums um die Personen von Blanqui und Barbès<br />
scharten —, hatten trotz ihrer theoretischen und taktischen Differenzen einen Punkt,<br />
in dem sie sich trafen: Sie hatten erkannt, daß rein politische Umwälzungen nicht imstande<br />
waren, die sozialen Probleme, welche die Gesellschaft zerklüften, zu lösen.<br />
Aus diesem Grunde suchten sie in der Umformung der Wirtschaftsbedingungen auf<br />
einer mehr oder weniger sozialistischen Grundlage die Lösung der sozialen Fragen.<br />
Manche von ihnen versuchten dies, indem sie sich jeder politischen Betätigung enthielten;<br />
andere glaubten ihr Ziel am besten zu erreichen durch das Bestreben, die<br />
Politik mit sozialistischen Gedankengängen zu durchsetzen.<br />
<strong>Die</strong> meisten dieser Richtungen — mit Ausnahme der geheimen babouvistischen<br />
Gesellschaften, die zum großen Teile aus Arbeitern bestanden — setzten sich fast<br />
ausschließlich aus den Kreisen der Intellektuellen und Mitgliedern der besitzenden<br />
Klassen zusammen, die aus idealen Gründen eine Beseitigung des sozialen Elends<br />
erstrebten. Allein ihre Ideen fanden zunächst wenig Verständnis unter den Massen.<br />
Erst als sich später aus dem Schoße der französischen Arbeiterklasse die sogenannten<br />
„Assoziationen" als erste Form der dortigen Arbeiterbewegung entwickelten, fanden<br />
die Ideen der sozialistischen Denker auch eine Verbreitung im Proletariat. Besonders<br />
waren es Louis Blanc und nach ihm Proudhon, welche auf die geistige Entwicklung<br />
der Assoziationen, die man übrigens nicht mit den heutigen Genossenschaften verwechseln<br />
darf, wie das häufig geschieht, den größten Einfluß hatten.<br />
Aber diese junge Bewegung der französischen Arbeiterklasse, wie alle anderen<br />
Keime der ersten Arbeiterbewegung in Frankreich, wurden erstickt durch den Staatsstreich<br />
Louis Bonapartes, und als die Bewegung in den sechziger Jahren wieder zu<br />
neuem Leben erwachte, nahm sie mehr und mehr einen gewerkschaftlichen Charakter<br />
an, der von sozialistischen Ideengängen stark beeinflußt wurde.<br />
Aus den Gewerkschaften Englands und Frankreichs entwickelte sich auch später<br />
die „<strong>Internationale</strong> Arbeiter-Assoziation", deren gedankliche Ursprünge sich in jenen<br />
beiden Ländern bis in die dreißiger und vierziger Jahre zurückverfolgen lassen. <strong>Die</strong><br />
<strong>Internationale</strong> war nicht das Ergebnis einiger findigen Köpfe, sie entsprang nicht der<br />
Idee einiger Auserwählten, sie wurde vielmehr aus dem gärenden Schoße der werktätigen<br />
Massen geboren und formte sich nach deren Wünschen und Bedürfnissen.<br />
In demselben Sinne vollzog sich auch die geistige Entwicklung der <strong>Internationale</strong>.<br />
Ihre reichen Quellen sprudelten nicht aus den Studierstuben der Gelehrten, sondern<br />
aus den praktischen Kämpfen des alltäglichen Lebens, aus den tausend Erfahrungen<br />
einer kampfreichen Gegenwart. Waren die Beschlüsse ihrer ersten Kongresse in Genf<br />
(1866) und Lausanne (1867) noch sehr unbestimmt und gemäßigt, so wurden die<br />
praktischen Kämpfe der folgenden Jahre den Arbeitern die beste Schule für die Entwicklung<br />
ihrer Ideen.<br />
<strong>Die</strong> Beschlüsse der Kongresse von Brüssel (1868) und Basel (1869) zeigen uns die<br />
<strong>Internationale</strong> auf dem Höhepunkt ihrer geistigen Entwicklung. Auf dem Kongreß in<br />
Basel entwickelte der Belgier Hins den großen Gedanken von der politischen Einheit