12.07.2015 Views

Tanulmányok a kézműipar történetéből

Tanulmányok a kézműipar történetéből

Tanulmányok a kézműipar történetéből

SHOW MORE
SHOW LESS
  • No tags were found...

You also want an ePaper? Increase the reach of your titles

YUMPU automatically turns print PDFs into web optimized ePapers that Google loves.

Elke SchlenkrichVERARMUNG CHEMNITZER LEINEWEBER IM 18. JAHRHUNDERT1782 legte der Rat zu Frankenberg bei seinen Chemnitzer AmtskollegenBeschwerde über einen dort ansässigen Beutlermeister ein, weil dieser auf einerTauffeier geäußert hatte: Die Leineweber “wären krätzige Leute und wenn sieSauerkraut wollten eßen, müßten sie erst die Gründer aus dem Arsche darzukratzen.“ dcclxxxiiDurch diese geäußerten Injurien fühlte sich das FrankenbergerLeineweberhandwerk zutiefst beleidigt und verlangte, den Meister zu verhören.Außerdem sollte er Abbitte leisten.Nun mag der Kritiker einwenden, es handle sich hierbei nur um einen Beleg,der in Verbindung zur Verfemung der Leineweber steht, einem Problem, welchessich wie ein roter Faden durch die Jahrhunderte zieht. dcclxxxiii Allerdings eröffnetedie Beschäftigung mit Chemnitzer Archivalien des 18. Jahrhunderts, u.a. mit Blickauf das Handwerk eine zweite Perspektive: Sie führt in ein Theater des Elends undder Armut. Beide Sichtweisen, die traditionelle – gesellschaftspsychologischmoralischeund die “neue“ – soziale – verbinden sich miteinander und machen nunden Grundtenor der öffentlichen Bewertung der Leineweber aus. Auf diese Weisewerden sie weiter marginalisiert. Darauf soll nachfolgend näher eingegangenwerden.Neben Tuchmachern und Strumpfwirkern repräsentierte die Innung derZeug- und Leineweber die wichtigste und zugleich personell stärkste ChemnitzerZunft. Laut Angaben der am Ausgang des 18. Jahrhunderts erstelltenNahrungsstandtabellen bildete die Leineweberei den Hauptnahrungszweig derStadt. 17% der Stadtbewohner waren Mitglieder dieser Zunft. dcclxxxiv Parallel zudieser Aussage ist aber modifizierend darauf hinzuweisen, daß dieErwerbsmöglichkeiten im Rahmen des Handwerks eingeschränkt waren undLeineweber nach alternativen Beschäftigungsfeldern suchten – in erster Linie sindHausierhandel und Branntweinausschank zu nennen. dcclxxxv Gleichfalls konnte dieSuche nach Alternativen zu beinahe grotesk anmutenden Ideen führen. So klagtendie Perückenmacher und Friseure, weil sich Leinewebergesellen und ein Lehrlingdieses Handwerks angemaßt hatten, “in und außerhalb ihrer Wohnungen die Leutegegen Geld [zu] frisieren.“ dcclxxxviDie ökonomischen Rahmenbedingungen zur Ausübung des Handwerkswaren von Verlagsbeziehungen geprägt. Im 18. Jahrhundert zählten vorrangigChemnitzer Manufakturgroßhandlungen und die Inhaber der sich etablierendenKattundruckereien zu den Abnehmern der Webwaren. Bezüglich derAbsatzmöglichkeiten der Waren zeichnete sich zudem ein starker Einfluß derenglischen Konkurrenz auf die deutschen Märkte ab.Die Alltagsbefindlichkeiten der Chemnitzer waren geprägt durch Krieg –besonders die Wirren des Siebenjährigen Krieges und damit verbundenenKontributionen, Einquartierungen und Rekrutierungen. Der Lebensrahmen unterlag322

Hooray! Your file is uploaded and ready to be published.

Saved successfully!

Ooh no, something went wrong!