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Psychologische Interpretation. - Jochen Fahrenberg

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sam und traurig, insbesondere vermisst sie ihre Eltern nach denen sie Heimweh<br />

hat: “Und dann habe ich mir immer gesagt, du allein wolltest es doch so. Du<br />

willst dich doch nur abnabeln im Sinne von selbständig werden und nicht im<br />

Sinne von nichts mehr von deinen Eltern wissen wollen.” In dieser Zeit schreibt<br />

sie intensiv Tagebuch und fährt fast jedes Wochenende nach Hause.<br />

Nach einem halben Jahr bewirbt sich Anna um ein Zimmer im Studentenwohnheim.<br />

Zu Anfang des dritten Semesters kann sie endlich das Zimmer, in dem<br />

sie heute wohnt, beziehen. Das Leben in der Wohngemeinschaft empfindet sie<br />

nach einem Jahr des “Alleinseins” als Wohltat und hilfreich den Ablösungsprozess<br />

weiter voranzutreiben. Mit ihren Mitbewohnern versteht sie sich gut. Sie<br />

lebt gerne mit ihnen zusammen und fühlt sich wesentlich besser als noch vor<br />

einem Jahr. Sie fährt nur noch ab und zu zum Wäsche waschen nach Hause...<br />

Nachdem Anna quasi 1.5 Stunden frei erzählt hatte, endete an dieser Stelle der<br />

narrative Teil unseres Gesprächs. In den nächsten 2 Stunden befragte ich Anna<br />

gezielt nach zentralen Themen. Im folgenden habe ich unser weiteres Gespräch<br />

zusammengefasst.<br />

(3) Biographie – explorativer Teil (chronologisch)<br />

Pädagogikstudium versus Schauspielausbildung<br />

Seitdem Anna im dritten Semester an einem intensiven Schauspielkurs<br />

teilgenommen hat, weiß sie, dass sie eigentlich lieber Schauspielerin werden<br />

möchte als Pädagogin: “Wenn ich einen Platz an einer staatlichen<br />

Schauspielschule bekommen hätte, hätte mich hier nichts mehr gehalten.” Anna<br />

erzählt, dass sie in der letzten Zeit bei drei Schauspielschulen vorgesprochen hat,<br />

jedoch von keiner der Schulen angenommen wurde. In ihr Vorhaben<br />

Schauspielerin zu werden, hat sie anfänglich nur ihren Bruder eingeweiht:<br />

“Meine Eltern wissen nicht, was es bedeutet. Sie nehmen mich nicht ernst in<br />

meinem Wunsch. Ich hatte mehr Angst vor dem Satz: Na gut, dann mach´s halt<br />

mal, als dass sie ausrasten würden. Mein Bruder war der erste, der an mich<br />

geglaubt hat.” Wiederum ist es ihr Bruder Thomas, der sie vom Bahnhof abholt,<br />

als sie von ihrem ersten Vorsprechen aus Berlin in Mainz mit dem Zug eintrifft.<br />

Ihre Eltern denken derweil, dass sie aus Freiburg kommen würde: “Ich war<br />

damals total erschöpft. Als ich nach Hause kam, habe ich dann munter weiter<br />

gespielt und über das Freiburger Wetter geredet, so als würde ich es selbst nicht<br />

nur aus den Nachrichten kennen. Das war wahnsinnig anstrengend.” Bevor sie<br />

zu ihrem vorläufig letzten Vorsprechen nach Leipzig fährt, teilt sie schließlich<br />

auch ihren Eltern ihre Bemühungen um einen Ausbildungsplatz in einer Schauspielschule<br />

mit: “Meine Mutter wollte gleich mit mir mitfahren. Ich habe ihr<br />

daraufhin gesagt, dass das kein Familienausflug ist.” Anna erzählt weiterhin,<br />

dass in ihrer Familie bisher noch niemand im künstlerischen Bereich gearbeitet<br />

hat: “Mein Vater hat gesagt, dass er das niemals gekonnt hätte, sich im Rampen-<br />

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