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Psychologische Interpretation. - Jochen Fahrenberg

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Die Aufgabe der <strong>Interpretation</strong>, Zusammenhänge zu erschliessen, kann in zwei<br />

zentralen Begriffen gesagt werden: heuristische Übersetzung und methodenkritische<br />

Kontrolle.<br />

Texte<br />

In der geisteswissenschaftlichen Tradition der Psychologie ist die Methodik der<br />

<strong>Interpretation</strong> fundamental. Es handelt sich vor allem um Texte, deren Bedeutung<br />

zu erschließen ist. Die zutreffende Auslegung von Botschaften und Texten<br />

wird Hermeneutik genannt (griech. Auslegung, Übersetzung). Dies erinnert an<br />

den Götterboten Hermes, der den Menschen die Botschaft der Götter mitteilen<br />

und erläutern sollte. In der Philosophie, Theologie und Sprachwissenschaft<br />

besteht eine lange und breite Tradition der <strong>Interpretation</strong>skunst. Die Hermeneutik<br />

wird oft als universelle Methodik der Geisteswissenschaften bezeichnet. Sie<br />

ist grundsätzlich auf alle Produkte, also auf alle Objektivationen des menschlichen<br />

Geistes anzuwenden: historische Urkunden, schriftliche Überlieferungen,<br />

Märchen, Literatur, Erzählungen, Gesprächsprotokolle, Werke der darstellenden<br />

Kunst und kulturelle Zeugnisse verschiedenster Art.<br />

Hermeneutik ist Auslegung. Sie erschließt den Zusammenhang zwischen<br />

den Textelementen und dem gesamten Text sowie zwischen dem Text und<br />

seinen Kontexten, so dass sich die Bedeutungen der Teile zum verständlichen<br />

Sinn des Ganzen verbinden.<br />

Kontexte<br />

Der geschriebene Text ist in den handschriftlichen Überlieferungen oft mit<br />

Glossen (Kommentaren), mit Übersetzungen oder anderen Anmerkungen versehen<br />

worden. Der Text hat einen Kontext. Tatsächlich sind es immer viele Kontexte,<br />

denn der Text wurde von einem Autor unter den Bedingungen seiner Zeit<br />

geschrieben. Deshalb können die Aussagen bewertet und relativiert werden. Die<br />

Quellenkritik an der Herkunft des Textes, die Textkritik selbst und die kritische<br />

Überprüfung neuer <strong>Interpretation</strong>sansätze an der bereits bestehenden wissenschaftlichen<br />

Tradition sind unerlässliche Schritte des <strong>Interpretation</strong>sprozesses.<br />

Diese Kontexte liegen gleichsam wie Schalen um den Kern des Textes.<br />

Kontexte im weiteren Sinn sind der zeitgenössische Wissensstand und die Einstellungen<br />

und Überzeugungen des Autors in seiner Zeit. Werden außerdem – bei<br />

gründlichem Vorgehen unumgänglich – die wesentlichen Ergebnisse der bisherigen<br />

<strong>Interpretation</strong> dieses Textes einbezogen, dann kann die Vielfalt und oft wohl<br />

auch die Widersprüchlichkeit möglicher <strong>Interpretation</strong>en überwältigen. Bekannte<br />

Beispiele sind die <strong>Interpretation</strong> der Werke antiker Philosophen und die Ausle-<br />

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