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Psychologische Interpretation. - Jochen Fahrenberg

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Vermutungen über die Intention des Künstlers und den eigentlichen “Sinn” des<br />

Werks bis zu der allgemeineren Aufgabe der Auslegung von Kunst vorzudringen.<br />

Als Voraussetzung der <strong>Interpretation</strong> muss der dargestellte Gegenstand identifiziert<br />

werden. Durch das Wissen über den Gegenstand und die Kenntnis des Stils<br />

der Darstellung kann die formale Darstellung gedanklich entsprechend umgestaltet<br />

und assimiliert werden, wie Panofsky (1997) ausführte. Ikonologie<br />

(Ikonographie) befasst sich mit der bildlichen Darstellung von bestimmten<br />

Begriffen, z. B. der Darstellung von Emotionen in der Mimik oder von Tugenden<br />

– ähnlich den Berufssymbolen, Standeszeichen und Wappen. In der Geschichte<br />

der Malerei gibt es Bildwörterbücher, in denen solche Kodifizierungen lexikalisch<br />

dargestellt sind. So werden in der christlichen Kunst die Jünger und bedeutenden<br />

Heiligen und in der buddhistischen Kunst die Bodhisattvas durch typische<br />

Gesten und bestimmte Insignien gekennzeichnet. Diese Regelwerke müssen, wie<br />

auch die traditionellen Kompositionsschemata bekannt sein, um Abweichungen<br />

beurteilen zu können. Wenn diese nicht mehr vertraut sind, müssen sie erst entziffert<br />

werden.<br />

Von Panofsky (1996) stammt ein <strong>Interpretation</strong>sschema, wie unter wechselnden<br />

historischen Bedingungen erstens, Gegenstände und Ereignisse durch<br />

Formen ausgedrückt werden, wie zweitens, bestimmte Themen, und drittens,<br />

sehr verallgemeinert, wesentliche Tendenzen des menschlichen Geistes ausgedrückt<br />

werden.<br />

Empirische Kunstpsychologie und <strong>Interpretation</strong>smöglichkeiten<br />

Im Unterschied zur kunstgeschichtlichen Hermeneutik ging es in der empirischen<br />

Kunstpsychologie vorwiegend um die Bedingungen der ästhetischen<br />

Produktion, Wirkung und Rezeption. Hier werden nur einige Perspektiven erwähnt,<br />

weil sie im <strong>Interpretation</strong>sprozess heuristisch fruchtbar sein können.<br />

Kontroversen gab es um die psychoanalytischen Erklärungsversuche. Werden<br />

in Kunstwerken, verhüllt und symbolisch wie im manifesten Traum, unbewusste<br />

Triebimpulse ausgedrückt? Haben deswegen manche Bilder eine sexuelle<br />

(Neben-) Bedeutung? Ist das künstlerische Verhalten als Sublimierung solcher<br />

Triebwünsche zu erklären? (Kreitler & Kreitler, 1980; Rattner & Danzer, 1993;<br />

Schneider, 1999).<br />

Die empirisch-ästhetische Forschung ist zentralen Fragen nachgegangen: den<br />

psychologischen Bedeutungen der Farbe (“sinnlich-sittliche Wirkung” der Farbe,<br />

Goethe, 1808) und den Wirkungen der Farbkombinationen (u. a. Cohn, 1894; zur<br />

testpsychologischen Anwendung siehe Heiß & Halder, 1975). Fechner (1871)<br />

führte Umfragemethoden beim Publikum zur Untersuchung der Bildrezeption<br />

ein. Außerdem untersuchte er, ob die aus der griechischen Entwurfslehre sowie<br />

von Dürer und anderen Meistern bekannte Proportion des Goldenen Schnitts<br />

(“das Kleine zum Großen wie das Grosse zum Ganzen”, d. h. 100 zu 162 zu 262)<br />

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