27.11.2012 Aufrufe

Psychologische Interpretation. - Jochen Fahrenberg

Psychologische Interpretation. - Jochen Fahrenberg

Psychologische Interpretation. - Jochen Fahrenberg

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

aus dem Verhalten und Lebenslauf der Probanden. Dennoch vermitteln solche<br />

einprägsamen Erfahrungen eine besondere Evidenz.<br />

Einwände<br />

Gegen die Inhaltsanalyse des TAT können mehrere Einwände vorgebracht werden,<br />

die ähnlich auch für andere Inhaltsanalysen und die Trauminterpretation gelten.<br />

Das Material wird unter künstlichen Testbedingungen erhoben und kann deshalb<br />

von situativen und interaktiven Einflüssen verzerrt sein. Eine spekulative <strong>Interpretation</strong><br />

sagt vielleicht mehr über den Interpretierenden aus als über den Autor der<br />

Geschichten. Die <strong>Interpretation</strong>en können kaum überprüft werden, weil keine<br />

überzeugenden Kriterien einer gültigen <strong>Interpretation</strong> anzugeben sind. Der Diagnostiker<br />

interpretiert den Text so wie es die in der Regel bekannten biographischen<br />

Daten und die Anamnese nahe legen. Aus diesen Gründen wird von Kritikern der<br />

impressionistische und anekdotische Stil solcher <strong>Interpretation</strong>en hervorgehoben.<br />

Das methodisch “naive” Vorgehen überlässt unkontrolliert alles der Deutung durch<br />

den Diagnostiker. Im Extrem kommt es zu “wilden” Deutungen.<br />

Der TAT und verwandte Tests haben zwei zentrale Probleme, denn es muss<br />

eine Inferenz von der erzählten Geschichte auf deren Hauptfigur und eine<br />

Inferenz von dieser phantasierten Hauptfigur auf die Persönlichkeitsmerkmale<br />

des Erzählenden vorgenommen werden. Es geht um die psychologische<br />

<strong>Interpretation</strong> einer <strong>Interpretation</strong>. Auf welcher Ebene werden die psychologischen<br />

Konstruktionen über den Probanden entwickelt: auf der Ebene der manifesten<br />

Inhalte, auf der Ebene der Phantasiegeschichte oder auf der Ebene latenter<br />

Motive? Identifiziert sich der Erzähler tatsächlich mit der Hauptfigur? Folgt<br />

aus einer solchen Identifikation, dass der Erzähler auch dieselben Themen und<br />

Persönlichkeitseigenschaften hat wie die Hauptfigur der Geschichte? Dies sind<br />

außerordentlich fragwürdige, aber für die Testinterpretation notwendige<br />

Annahmen. Ohne Entscheidungen hinsichtlich der Bezugs- und Realitätsebene,<br />

sind psychodiagnostische <strong>Interpretation</strong>en kaum möglich (siehe auch Rauchfleisch,<br />

1989; Revers, 1973). Bei der Anwendung des TAT als Explorationshilfe<br />

in einer biographischen Erhebung, wie ursprünglich durch Murray, sind mehr<br />

Möglichkeiten der Absicherung vorhanden als bei einer weitgehend “blinden”<br />

Auswertung. Andererseits besteht dann das Risiko, aus diesen Kenntnissen etwas<br />

in die Geschichte hineinzulesen.<br />

Die Publikation bzw. die Testrezension des Thematischen Gestaltungstests<br />

TGT löste eine Kontroverse aus, die sich vor allem mit der strittigen Frage<br />

befasste, ob die konventionellen (psychometrischen) Gütekriterien für projektive<br />

Verfahren adäquat sind (Allesch, 1991; Steck, 1991; Tent, 1991). In methodischer<br />

Hinsicht muss hier noch sehr viel genauer spezifiziert werden, welche<br />

Aussagen nach welchen Kriterien evaluiert werden sollen. Nach herkömmlichen<br />

psychometrischen Maßstäben ist es um die testmethodische Qualität der projek-<br />

235

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!