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Psychologische Interpretation. - Jochen Fahrenberg

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6.2 Beschreibungseinheiten<br />

In der Methodenlehre der Biographik nimmt die Diskussion über die adäquaten<br />

Einheiten der Beschreibung einen großen Raum ein. Biographik ist so weit<br />

gefasst und nach zeitlicher und inhaltlicher Reichweite so unbestimmt, dass<br />

befriedigende Antworten auf diese fundamentale Frage schwierig sein werden.<br />

Aus verschiedenen theoretischen Auffassungen über Inhalt und Zweck von<br />

Biographik folgen auch verschiedene methodische Ansätze. Häufig wird eine<br />

Abgrenzung von den Eigenschaftstheorien der Persönlichkeitspsychologie versucht.<br />

Die verbreitete Annahme lautet, dass die biographische Persönlichkeitsforschung<br />

andere, ihrer Aufgabe adäquate Einheiten benötigt.<br />

In diesem Abschnitt werden der Begriff der Prozesseigenschaft eingeführt und<br />

eine Übersicht über wichtige Beschreibungseinheiten vermittelt, die im Kapitel<br />

11.3 ausführlicher geschildert werden.<br />

Eigenschaften – statisch und dynamisch gesehen<br />

Die aus der differentiellen Psychologie vertrauten Begriffe Persönlichkeitseigenschaft<br />

(Trait) und Zustand (State) scheinen für die Biographik nur eingeschränkt<br />

tauglich zu sein. Es soll ja über die Beschreibung individueller Differenzen<br />

hinaus ein Entwicklungsprozess deutlich werden.<br />

In Biographien werden natürlich Begriffe für relativ überdauernde Eigenschaften<br />

(wie introvertiert, gesellig, emotional labil) und für aktuelle Zustände (wach, angespannt,<br />

bedrückt) unentbehrlich bleiben. Unter der biographischen Perspektive<br />

interessieren jedoch vor allem die Entwicklung und die Veränderlichkeit der individuellen<br />

Züge. Es kommt auf die dynamischen Abläufe und wiederkehrenden<br />

Muster dieser Veränderungen an und weniger auf die vielleicht zunehmende oder<br />

abnehmende, graduelle Ausprägung eines Persönlichkeitsmerkmals. Die Aufgabe<br />

der Biographik verlangt vorrangig Beschreibungseinheiten für dynamische<br />

Prozesse. Deshalb müssen entsprechende Kategorien verwendet oder in der biographischen<br />

Forschung erst entwickelt werden.<br />

Die Suche nach adäquaten Einheiten der Beschreibung zieht sich durch die<br />

neuere Geschichte der biographischen Methodik. Es braucht hier jedoch kein<br />

fundamentaler Unterschied zu anderen Bereichen der Persönlichkeitspsychologie<br />

konstruiert zu werden. Offensichtlich verlangen die psychologische Entwicklung<br />

und die gründliche Beschreibung biographischer Zusammenhänge im<br />

Vergleich zur querschnittlichen Beschreibung zusätzliche Kategorien für die<br />

längsschnittliche Beschreibung, insbesondere der dynamischen Veränderungen.<br />

Aus einer umfassenderen Sicht könnte die geschilderte Kontroverse nur als eine<br />

Frage der Perspektive und der speziellen Methodik angesehen werden.<br />

Die Eigenschaften eines Menschen wurden in der älteren Charakterkunde als<br />

weitgehend feststehende Wesenszüge des Charakters (griech. eingeritzt) angese-<br />

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