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Psychologische Interpretation. - Jochen Fahrenberg

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Buches. Diese Arbeiten sind in mehreren Hinsichten vorbildlich. Sie können zu<br />

weitergehenden <strong>Interpretation</strong>en, zu kritischen Auseinandersetzungen und zu<br />

eigenen biographischen Versuchen anregen.<br />

Die Biographie Annas schildert ausführlich die Erhebungsbedingungen, enthält<br />

lange narrative und explorative Teile und gibt einen methodenkritischen<br />

Rückblick. Der <strong>Interpretation</strong>sansatz ist psychologisch differenziert und sensibel<br />

geschrieben. Die Biographie wirkt authentisch.<br />

Dem Plenum lagen zunächst nur die Teile 1 bis 4 vor, d. h. das biographische<br />

Material mit den methodenkritischen Bemerkungen, aber ohne den <strong>Interpretation</strong>sansatz,<br />

der ebenfalls zu dieser Hausaufgabe gehört. Die Diskussion befasste<br />

sich hauptsächlich mit der Krankheit und dem Berufswunsch Annas, denn dies<br />

sind die dominierenden Inhalte. Der Krankheitsbeginn ist das kritische Lebensereignis,<br />

mit dem sich Anna auseinandersetzt, wovon sie aber anderen nur<br />

zögernd mitteilt. Hier schloss sich die Frage an, ob sich dieses Leiden auf ihre<br />

Berufstätigkeit auswirken könnte. Ist ihr Berufswunsch, den sie als zentralen<br />

Lebensplan darstellt, überhaupt realistisch?<br />

Die wichtige Rolle des Onkels wurde hervorgehoben. Der Hinweis auf seinen<br />

“unwürdigen” Tod regte im Plenum verschiedene Vermutungen an. Die Rückfragen<br />

ergaben jedoch, zu dem auch hier in der Öffentlichkeit erlittenen körperlichen<br />

Zusammenbruch, keine zusätzlichen situativen oder biographischen Erinnerungen.<br />

Die Themen Berufswunsch und Krankheit sind hier so dominierend, dass<br />

andere Lebensbereiche etwas blass bleiben, z. B. die Beziehungen zu Freunden,<br />

die emotionalen Bindungen an die Eltern, die Motive für die Reisen und die<br />

Reiseerfahrungen. Einerseits können sich die Leser Anna in ihren zentralen<br />

Themen sehr gut vorstellen; andererseits bleibt sie in vieler Hinsicht weniger<br />

anschaulich: ihr Aussehen, typische Verhaltensweisen, ihr Umgangsstil, ihre<br />

Stimmungslage und Emotionalität.<br />

Der <strong>Interpretation</strong>sansatz konzentrierte sich auf die genannten Themen, die ja<br />

auch als Entwicklungsaufgaben zu verstehen sind, und arbeitete die tiefreichende<br />

Zwiespältigkeit (das Entweder-Oder) heraus. Als theoretische Konzepte verwendet<br />

die Verfasserin u. a. Begriffe von Erikson (1976, 1977) für die Identitätsentwicklung<br />

und Kategorien von Thomae für Daseinsthemen und Reaktionsformen.<br />

Sie gebraucht diese Konzepte selektiv, um diese Biographie zu gestalten. Annas<br />

autobiographische Erzählung weist bewusst – offenkundiger als in vielen<br />

anderen Beispielen – viele Anteile einer Selbstdarstellung auf. Dieser Grundzug<br />

steht in einem besonderen Spannungsverhältnis zur Schauspielerei. Diese Perspektiven<br />

erschweren die <strong>Interpretation</strong>, sind aber auch anregend als Herausforderungen<br />

an die psychologische Biographik.<br />

Der <strong>Interpretation</strong>sansatz der Verfasserin und einige Aspekte der Diskussion<br />

wurden mit Anna besprochen und fanden deren weitgehende Zustimmung.<br />

Einzelheiten dieses Gesprächs wurden nicht protokolliert<br />

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