27.11.2012 Aufrufe

Psychologische Interpretation. - Jochen Fahrenberg

Psychologische Interpretation. - Jochen Fahrenberg

Psychologische Interpretation. - Jochen Fahrenberg

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Schultz-Hencke (1972) sah in Träumen Antriebserlebnisse, welche verschiedene<br />

Hemmungen kompensieren sollen. Seiner Motivationslehre entsprechend<br />

systematisierte er Besitzstreben, Geltungsstreben und Sexualstreben. Er betonte<br />

die Notwendigkeit auch mikropsychologischer Analysen. So lassen sich nach<br />

Schulz-Hencke verschiedene Arten von Einfällen zum Traum unterscheiden und<br />

deuten: u. a. Einfälle realer Bezüge, witzige oder intellektuelle, entsymbolisierende,<br />

deutende, subjektbezogene oder kathartisch-reinigende (abreagierende)<br />

Einfälle.<br />

Medard Boss (1953, 1975) hat unter dem Einfluss von Jung und Heidegger<br />

sein phänomenologisches und daseinsanalytisches Traumverständnis entwickelt<br />

(siehe auch von Uslar, 1990). Er kritisierte die Deutung von Traumsymbolen und<br />

die Unterscheidung von Subjektstufe und Objektstufe und meinte, dass von allen<br />

speziellen Traumtheorien abgesehen werden müsse. Es kommt darauf an, die<br />

“immense Bedeutungsfülle zu sehen wie sie jede Gegebenheit aufweist.” “Unser<br />

neues Traumverständnis kann man im Gegensatz zu den bisher üblichen kausalen<br />

oder konditionalen Erklärungstheorien einen phänomenologischen Zugang<br />

nennen. Es verdient diesen Namen, weil unser Zugang zum Träumen des Menschen<br />

ganz bei den Phänomenen verweilt. Auf seinem Wege will es sich diese,<br />

die vom Anfang an schon – wenn auch zunächst in noch so vager Weise – zu vernehmen<br />

waren, nur immer differenzierter zu Gemüte führen.” (1953, S.44)<br />

Aus seiner Sicht sind die beiden Fragen zentral, “für welches Vernehmen von<br />

weltlichen Gegebenheiten das Existieren eines bestimmten Menschen in seinem<br />

augenblicklichen Traumzustand offen ist und für den Welteingang oder die<br />

Entbergung welcher zusätzlicher analoger Bedeutungsgehalte seine nachfolgende<br />

Wachverfassung hellsichtiger geworden ist.” (1973, S. 439).<br />

Die ontologischen und phänomenologischen Aspekte des Traumgeschehens<br />

wurden durch von Uslar (1990) ausführlich dargestellt. Er hob die Spannung und<br />

den Umschlag von Traumwirklichkeit und Wachwirklichkeit hervor und gab eine<br />

formale und materiale Phänomenologie des Traums. Die Perspektiven der Zeitlichkeit,<br />

Dinglichkeit, Räumlichkeit, Ichbezogenheit und andere Aspekte wurden<br />

in der <strong>Interpretation</strong> langer Traumserien anschaulich ausgeführt.<br />

Die Traumtheorie von C. S. Hall (1953, C. S. Hall & Castle, 1966) stützte sich<br />

auf umfangreiche inhaltsanalytische Auswertungen anhand eines differenzierten<br />

Kategoriensystems. Traumbilder werden als bildliche Darstellungen von Gedanken<br />

angesehen (“kognitive” Traumtheorie). Traumdeutung sei eine Umkehrung<br />

dieses Prozesses. Die Traumbilder seien nicht Verhüllung eines latenten Traumgedankens,<br />

sondern repräsentierten im wesentlichen die Probleme, die den Träumer<br />

auch im Alltag beschäftigen. Die von C. S. Hall behauptete Entsprechung<br />

von Traumbild und emotionaler Sicht der Welt im Wachzustand hat Ähnlichkeiten<br />

mit dem phänomenologischen Ansatz von Boss. Hall kritisierte Freuds<br />

Ansatz hinsichtlich der sexuellen Thematik. Traumserien einer Person könnten<br />

158

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!