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Psychologische Interpretation. - Jochen Fahrenberg

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fassend siehe Seibt, 1994). Hinsichtlich der messbaren (graphometrischen)<br />

Merkmale ist dies trivial, hinsichtlich der Einstufung von Eindrucksqualitäten<br />

war es erst empirisch nachzuweisen.<br />

Zweifelhaft ist dagegen die Gültigkeit graphologischer Aussagen, wenn nach<br />

der Übereinstimmungsvalidität mit anderen psychologischen Daten und nach der<br />

prädiktiven Validität gefragt wird, z. B. in der Personalbegutachtung. An Untersuchungen<br />

zur Validität der Graphologie hat es sicher nicht gemangelt (siehe<br />

Lockowandt, 1988; Seibt, 1994, Wallner, 1998). Die empirischen Ergebnisse<br />

waren inkonsistent, aber insgesamt gering und enttäuschend. Da sich die älteren<br />

Untersuchungen nicht für Metaanalysen eignen, kann sich die Einschätzung der<br />

Validität höchstens auf einzelne methodisch herausragende, negative oder positive<br />

Befunde stützen. Nur eine Metaanalyse graphologischer Gutachten im<br />

Personalwesen kann zitiert werden (Neter & Ben-Shakhar, 1989). Gemessen an<br />

den Einstufungen durch Vorgesetzte wiesen die graphologischen Gutachten nur<br />

sehr geringe Koeffizienten in der Größenordnung von r = 0.17 auf. Die<br />

Koeffizienten von Einstufern ohne graphologische Ausbildung waren jedoch<br />

mindestens so gut. Die Kriterienkorrelationen schrumpften noch, wenn die Texte<br />

inhaltlich neutralisiert wurden, d. h. ohne eventuell zu benutzende biographische<br />

Hinweise vorgelegt wurden. Graphologische Gutachten sind in Personalauswahlverfahren<br />

wahrscheinlich untauglich (Schuler & Marcus, 2001).<br />

Es gibt tatsächlich auffällige, originelle, sehr eigengeprägte oder gestört wirkende<br />

Schriften. Auch können einzelne graphologische Gutachten evident sein,<br />

insbesondere wenn die auffälligen Schriften von bekannten Dichtern, Malern<br />

oder Philosophen interpretiert werden oder von Personen wie etwa Hitler (siehe<br />

Falldarstellung, 1955). Aber wurde in diesen Fällen immer kontrolliert, ob nicht<br />

doch inhaltliche <strong>Interpretation</strong>shinweise aus dem Text oder aus der Kenntnis<br />

biographischer Informationen eingegangen sind? Überzeugend können solche<br />

Beispiele nur sein, wenn sicher gestellt ist, dass das Gutachten wirklich “blind”<br />

geschrieben wurde (Heiß, 1954).<br />

Es gibt konkurrierende Erklärungshypothesen für die Eigenart der Handschrift.<br />

Die Schrift kann durch die individuelle Schreibhaltung und durch die<br />

Schreibvorlage in der Schule und durch das eher zufällige Vorbild der Schrift von<br />

Eltern und Lehren beeinflusst sein. Die individuellen Unterschiede beim<br />

Schreiben können durch die morphologischen Besonderheiten der Hand mitbedingt<br />

sein. Die 27 Knochen der Hand und die von den Muskeln und Sehnen der<br />

Hand gebildeten Strukturen weisen bemerkenswerte Unterschiede zwischen<br />

Personen auf, so dass es eine funktionelle Bedeutung für den Schreibvorgang<br />

haben könnte (Anson, 1951).<br />

Eine grundsätzliche Schwierigkeit dieser Forschung hängt mit der Kriterienproblematik<br />

zusammen. Die Validität der Validitätskriterien, z. B. Testwerte<br />

von Persönlichkeitsfragebogen oder konventionellen Intelligenztests, wurde<br />

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