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Psychologische Interpretation. - Jochen Fahrenberg

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elastet durch die Kontroversen, ob Disposition – Situation – Interaktion den<br />

wichtigeren Einfluss auf die interindividuelle Verhaltensvarianz haben.<br />

Die Auffassung von “Situation” als Handlungsumgebung von Aktivitätseinheiten<br />

ist wahrscheinlich am verbreitetsten. Gemeint sein können: die objektiven,<br />

raumzeitlichen und physikalischen Merkmale, also Umgebungsmerkmale,<br />

die für das Erleben und Verhalten wichtig sind (wie anwesende Personen und<br />

Objekte). Darüber hinaus sind die individuelle Wahrnehmung und Bewertung<br />

gemeint, d. h. die erlebnismäßige <strong>Interpretation</strong>, welche den Aufforderungscharakter<br />

der Situation und Handlungselemente einbezieht. Der psychologische<br />

Begriff der Situation ist zu unbestimmt, wenn sowohl objektive Merkmale als<br />

auch die erlebnismäßige <strong>Interpretation</strong> (und ggf. der vom Untersucher intendierte<br />

Aufforderungscharakter bzw. die beabsichtigte Wirkung) gemeint sein<br />

können. Dies kann, z. B. in Untersuchungen über Person-Situation-Wechselwirkungen,<br />

zu zirkulären Definitionen führen wie von mehreren Autoren hervorgehoben<br />

wurde (u. a. Buse & Pawlik, 1984; Kaminski, 1986).<br />

Setting und Behavior Setting<br />

Eine bestimmte Umgebung wird auch als Setting oder nach Barker et al. (1978) als<br />

Behavior Setting (engl. Anordnung, in denen Verhalten stattfindet) bezeichnet.<br />

Angesichts der definitorischen Unbestimmtheit des Situationsbegriffs wurde verschiedentlich<br />

vorgeschlagen, Setting und Situation begrifflich konsequenter zu<br />

unterscheiden. Eine Möglichkeit wäre, die intersubjektiv beschreibbaren (objektiven)<br />

Kontextvariablen unter dem Begriff Setting und die individuellen erlebnismäßigen<br />

(subjektiven) Beschreibungen und Bewertungen von Kontextvariablen unter<br />

dem Begriff Situation zusammenzufassen. Solche doppelten Beschreibungen von<br />

Kontexten durch neutrale Beobachter und durch einen Handelnden werden allerdings<br />

selten möglich sein. Auch Barkers Konzept des Behavior Setting ist für viele<br />

Bereiche der Alltagspsychologie zu anspruchsvoll. Es müsste erst eine funktionale<br />

Analyse geleistet sein, um das typische Verhaltensprogramm mit dem erwarteten<br />

Ablauf und den Normen erkennen zu können.<br />

In der Alltagspsychologie ist die Unterscheidung zwischen Situation und Setting<br />

wichtig, da mit computer-unterstützter Methodik relativ genaue Protokolle erhoben<br />

und Differenzierungen erreicht werden können (<strong>Fahrenberg</strong> et al., 2002; Pawlik &<br />

Buse, 1996). Dagegen wird es in der Biographik praktisch kaum weiterhelfen, zwischen<br />

den objektiven, intersubjektiv prüfbaren Merkmalen des Settings, den<br />

Tätigkeiten und der erlebten Situation zu unterscheiden. Beim biographischen<br />

Rückblick gibt es keine Instanz, welche über intersubjektiv beobachtbare<br />

Merkmale des damaligen Setting informieren und diese Wechselbeziehung aufklären<br />

könnte. Unsere Erinnerungen sind konfundiert, d. h. sie haben eine gemeinsame<br />

Quelle, in der nur tendenziell zwischen den objektiven Gegebenheiten und<br />

deren subjektiver Bewertung unterschieden werden kann.<br />

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