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Psychologische Interpretation. - Jochen Fahrenberg

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qualitative interpretativ-verstehende Sozialforschung), deren Sinnverständnis<br />

zwar kontextabhängig konzipiert, aber stets als subjektiver Sinn, vom “Meinen”<br />

des Handelnden festgelegt wäre;<br />

• das strukturale Paradigma, das sich in der qualitativen, strukturrekonstruktiv<br />

verfahrenden Sozialforschung auf so unterschiedliche Ansätze wie die von<br />

Marx, Durckheim, Mead, Freud, Piaget und Levi-Strauss berufen könnte. Der<br />

Sinnbegriff sei hier ebenfalls kontextabhängig, jedoch unabhängig vom subjektiven<br />

Bewusstsein auf ein Verweisungsgefüge objektiv vorhandener sinnhafter<br />

Relationen zwischen Sinnelementen bezogen.<br />

Wie sollen aber Handlungen verstanden werden, deren Sinn nicht offenkundig ist<br />

bzw. auch vom Handelnden nicht mehr begründet werden kann? Habermas<br />

(1971) sah die Grenzen der traditionellen Hermeneutik und forderte eine dem<br />

hermeneutischen Verfahren vorgelagerte Theorie der kommunikativen Kompetenz.<br />

Hier deuten sich Bezüge zur psychoanalytischen Theorie an. Schneider<br />

(1989) bezog sich u. a. auf Habermas Modell des dialogischen Verfahrens und<br />

auf die Skizze einer objektiven Hermeneutik durch Oevermann (siehe Kapitel 8).<br />

Schneider wies auch auf die Schwierigkeiten hin, die Geltung einer<br />

Sinnkonstruktion intersubjektiv mit dem Befragten abzusichern. “Eine derartige<br />

Rekonstruktion des (subjektiv gemeinten) Sinns macht sich vom jeweiligen Grad<br />

der Selbstdeutungen eines Subjektes abhängig und setzt damit immer schon ein<br />

rational argumentierendes Subjekt voraus.” (Schneider, 1989, Anmerkung S.<br />

89).<br />

In dieser abstrakten Auseinandersetzung besteht die Gefahr, dass Zerrbilder<br />

der Verhältnisse entstehen. Skinners (1974) Lerntheorie ist durch das Prinzip der<br />

kontingenten Verstärkung und durch das Prinzip der Verhaltenskontrolle (durch<br />

das Verhalten der anderen Menschen) im höchsten Maße kontextbezogen.<br />

Pointiert kann hier fast von einer empirischen Ausformung der berühmten These<br />

von Marx über die wechselseitige Abhängigkeit und Formung von Erziehern und<br />

Erzogenen gesprochen werden (zit. nach Hiebsch, 1972, S. 12).<br />

Die völlige Subjektivierung des “Sinns” kann weder für die Deute-Verfahren<br />

der Psychologie noch für die verstehende Psychologie und Psychopathologie<br />

(Spranger, Jaspers, Gruhle u. a.) behauptet werden. Als diagnostische Methoden<br />

und als Beschreibungen von Personen und Patienten in einer realen Welt müssen<br />

sie auch eine Realitätsprüfung jenseits des subjektiven Meinens enthalten.<br />

Die beschriebenen Zuspitzungen schaffen Missverständnisse oder unnötige<br />

Kontroversen. Es handelt sich um Akzentuierungen – und zum Teil auch um<br />

Methodenprobleme – und nicht um fundamentale Gegensätze.<br />

Die <strong>Interpretation</strong> als hauptsächlicher Methodentypus kennzeichnet zweifellos<br />

weite Bereiche der Psychologie und der Sozialwissenschaften, doch sind diese<br />

Verfahren in keinem dieser Bereiche wirklich neu. Fortschritte gibt es also nicht<br />

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