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Psychologische Interpretation. - Jochen Fahrenberg

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Die Rolle der Qualitativen Methodik und Qualitativen Psychologie<br />

Gegenwärtig gibt es eine auffällige Zahl von Büchern, die das Wort “qualitativ”<br />

im Titel führen. Diese Mode lässt die psychologische Vermutung aufkommen,<br />

dass hier auch die Konnotation von qualitativ als gut (oder sogar besser als anderes)<br />

mitschwingt. Selbst bei Autoren, die aus der Psychologie stammen (z. B.<br />

Flick, 1996; Mayring, 1997), klingt nicht selten eine Argumentation von Soziologen<br />

und Sozialwissenschaftlern an, die in deren Bereich eher berechtigt sein<br />

mag. Es ist fast ein Stereotyp. Die qualitative Methodik habe in Deutschland<br />

nach wenigen Vorläufern erst in den 70er Jahren, zunächst als Import aus den<br />

USA und Frankreich, und dann mit eigenen Diskussionen und Methodenentwicklungen<br />

einen Platz erobert.<br />

Die möglichen Missverständnisse in dem Begriffspaar qualitativ – quantitativ<br />

wurden bereits ausführlich diskutiert. Mayring (1997), der sich für die Überwindung<br />

dieses Gegensatzes aussprach, wählte dennoch den Buchtitel “Qualitative<br />

Inhaltsanalyse”. Das Stichwort “qualitativ” steht offensichtlich nicht nur für eine<br />

verbreitete Überzeugung, sondern auch für fachliche und fachpolitische Kontroversen.<br />

Deshalb werden hier einige jener allgemeineren Argumente, vor allem im<br />

Hinblick auf die Forschung und Praxis der Psychologie wiedergegeben.<br />

Qualitative Psychologie und Sozialwissenschaft werden hier mit dem interpretativen<br />

Paradigma und mit der Inhaltsanalyse im weitesten Sinn gleichgesetzt. Die<br />

im folgenden geschilderten Eindrücke werden kritische Leser bei vielen dieser<br />

Aufsätze, Buchbeiträge und Lehrbücher der qualitativen Psychologie haben.<br />

Eine These ist häufig zu finden: Die qualitativen Verfahren gewinnen eine<br />

zunehmende Bedeutung. Sie wurden bisher vernachlässigt oder sie führten ein<br />

Dasein im Schatten der herrschenden nomothetischen, behavioristischen und<br />

quantitativen Wissenschaftsauffassung. Dieser Wandel ist Ausdruck eines anderen<br />

Wissenschaftsverständnisses, das sich nun aus der Kritik an einer eindimensionalen<br />

Entwicklung, einem Unbehagen am galileischen Leitbild, d. h. dem<br />

Konzept einer Einheitswissenschaft, entwickelt hat.<br />

In diesen stichwortartigen Formulierungen werden die Klischees deutlicher als<br />

es vielleicht im ursprünglich Kontext erscheinen mag. Manche Autoren entwickelten<br />

ein Gegenprogramm zu dem, was sie als “quantitative” Methodik verstehen.<br />

Die Profilierung wird durch Argumente, die z. B. von der Sackgasse einer rein<br />

quantitativen Inhaltsanalyse sprechen, verstärkt, so dass auch ein sehr umfassender,<br />

überzogener Anspruch deutlich wird.<br />

Eine der sehr allgemein gehaltenen Definitionen lautet: “Der Begriff “qualitative<br />

Forschung” ist ein Sammelbegriff für sehr unterschiedliche theoretische,<br />

methodologische und methodische Zugänge zur sozialen Wirklichkeit. Qualitative<br />

Forschung lässt sich auf verschiedenen Ebenen einerseits als eigenständige<br />

Ergänzung, andererseits als Gegensatz, Abgrenzung und besondere Akzentuierung<br />

im Verhältnis zur vorwiegend am einheitswissenschaftlichen (d. h. an<br />

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