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Psychologische Interpretation. - Jochen Fahrenberg

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zeugungskraft und, dadurch bedingt, Ausbreitung dieser Methodologie. Nun gibt<br />

es eine bemerkenswerte Anzahl von Publikationen, aber sie zeichnen sich eher<br />

durch illustrierende Beispiele als durch konkrete Ergebnisse der Forschungsarbeit<br />

aus. Verbreitet sind Sammelbände, in denen ein Konglomerat von<br />

theoretisch-abstrakten Stellungnahmen und kleinen Einblicken in aktuelle Projekte<br />

gegeben wird. Auch die Handbücher (Denzin & Lincoln, 2000; Flick et al.,<br />

2000; Richardson, 1996) enthalten keine Übersichten über erreichte Resultate<br />

und konkrete Anwendungen, sondern überwiegend Programmatik und Problematisierungen.<br />

Dieser Eindruck bestätigt sich auch – mit wenigen Ausnahmen –<br />

beim Vergleich der beiden Sammelbände (Denzin & Lincoln, 1994 und 2000;<br />

Flick et al., 1991 und 2000).<br />

Demgegenüber gibt es auch eine Anzahl herausragender Forschungen. Als<br />

Beispiele sind Thomaes außerordentlich umfangreiche biographische Persönlichkeitsforschung<br />

oder das internationale SOSTRIS-Projekt und ähnliche große<br />

Arbeitsvorhaben in den Sozialwissenschaften zu nennen. Eine faire Einschätzung<br />

von Anspruch und Leistung muss zweifellos den notwendigen Aufwand<br />

für solche Projekte und deren Auswertung, aber auch für die methodische<br />

Ausbildung bedenken.<br />

Anwendung und Ökonomie<br />

Fast alle der in diesem Buch behandelten <strong>Interpretation</strong>sverfahren sind recht zeitaufwendig.<br />

Dies gilt für die älteren Methoden wie die Graphologie und die projektiven<br />

Tests sowie für viele der Methoden zur Text- und Inhaltsanalyse. Auch<br />

für ein halb-strukturiertes Tiefen-Interview nach Wengraf (2001) werden je nach<br />

Aufgabenstellung und Gründlichkeit viele Stunden benötigt, und eine gründliche<br />

psychologische Biographik im Sinne Thomaes wird noch wesentlich mehr Zeit<br />

beanspruchen.<br />

Für die psychodiagnostische Untersuchung am Freiburger <strong>Psychologische</strong>n Institut<br />

wurden früher zwei Arbeitstage angesetzt. Am ersten Tag: <strong>Psychologische</strong><br />

Anamnese und Tests mit erster Testauswertung; am zweiten Tag weitere psychologische<br />

Tests und vertiefende Exploration sowie der Entwurf eines zusammenfassenden<br />

Persönlichkeitsgutachtens. Dieser Aufwand ist nur bei speziellen Fragestellungen,<br />

u. a. forensischen und psychologisch-psychiatrischen Begutachtungen<br />

vertretbar.<br />

Ein Zeitaufwand in der Größenordnung von Stunden bis zu vielen Stunden<br />

oder Tagen für eine genauere Auswertung des Materials wird in der Regel für die<br />

heutige psychologische Praxis zu lang oder sogar viel zu lang sein. Deshalb werden<br />

die meisten dieser Verfahren nur als Forschungsmethoden in Frage kommen.<br />

Diese Aufspaltung zwischen dem Forschungssektor und dem Anwendungsbereich,<br />

wo diese Methodik ungeeignet zu sein scheint, muss als problematisch<br />

angesehen werden. Inwieweit die Entwicklung von geeigneten Kurzformen<br />

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