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Psychologische Interpretation. - Jochen Fahrenberg

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Begriff Personologie oder seit Stern der Begriff Personalismus verwendet worden<br />

und die heutige biographische Persönlichkeitsforschung kann in dieser<br />

Tradition gesehen werden (Allport, 1938/1959, 1970; Murray, 1938/1962; Stern,<br />

1935; Thomae, 1968).<br />

In der Fachliteratur zeichnen sich übereinstimmend einige allgemeine methodische<br />

Prinzipien des biographischen Verfahrens ab (siehe u. a. Fuchs-Heinritz,<br />

2000; Keßler, 1982; Kruse, 1987; Rosenthal, 1995; Thomae, 1968, 1996;<br />

Wengraf, 2001). Wichtige Forderungen an diese Methodik sind: in neutraler und<br />

unvoreingenommener Weise vorzugehen, in einem überschaubaren Kontext, in<br />

konkreten Einheiten und in relativer Vollständigkeit.<br />

Unvoreingenommene Erfassung des biographischen Materials, d. h. Verzicht<br />

auf eine vorgeformte oder hypothesengeleitete Auswahl, damit der<br />

Aufmerksamkeitsfokus nicht auf ein u. U. sekundäres Thema gelenkt wird<br />

(Offenheit, Unvoreingenommenheit).<br />

Alltägliche Gesprächsweise, d. h. Verzicht auf abstrakte Kategorien, psychologische<br />

Fachbegriffe und theoretische Erläuterungen.<br />

Umfassende, ganzheitliche Sicht des Lebenslaufs, d. h. in den Details zwar<br />

unvollständig, weil dies unvermeidlich ist, aber in den vom Individuum als<br />

besonders bedeutsam erlebten Themen und Zusammenhängen zutreffend<br />

und vertieft hinsichtlich typischer Konstellationen, im Prinzip auch hinsichtlich<br />

der kulturellen, sozioökonomischen und ökologischen Kontextbedingungen.<br />

Dynamische Auffassung des Lebenslaufs, d. h. Beschreibung eines Prozesses,<br />

der nicht als lineare Entwicklung gesehen wird, sondern als interaktive<br />

Formung und Anpassung, als Selbstorganisation und Identitätsfindung, gerade<br />

auch durch Konflikte, Widersprüche, Krisen und wiederkehrende<br />

Erlebnisse.<br />

Weitaus weniger konkrete Hinweise oder Strategien sind allerdings in der Literatur<br />

zu finden, wenn es um die praktisch unumgängliche Auswahl und Schwerpunktsetzung<br />

der Biographik geht. Wie ist der Riesenanspruch einer biographischen<br />

Aufgabe im einzelnen zu bewältigen?<br />

Einige allgemeine Voraussetzungen im Hinblick auf Sprachfähigkeit, Orientierung,<br />

Kommunikation und Gedächtnis scheinen selbstverständlich, werden<br />

jedoch im schwierigen Einzelfall wahrscheinlich oft schwer einzuschätzen sein.<br />

Legewie (1987) betonte, dass das biographische Interview in einem Arbeitsbündnis<br />

entsteht, wobei die Geltungsansprüche der Verständlichkeit, Wahrheit,<br />

sozialen Angemessenheit und Aufrichtigkeit für die interessierenden Interviewabschnitte<br />

überprüft werden müssen. Es gibt Grenzen der Erzählbarkeit (zur<br />

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