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Psychologische Interpretation. - Jochen Fahrenberg

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im Alltag keine Rolle spielt, werden die Kinder zum sonntäglichen Kirchgang<br />

gezwungen. D. besucht nur ungern den Kindergarten, dort findet eine autoritäre<br />

Erziehung statt, ständige Sanktionen und Prügelstrafen sind normal. Trägt<br />

D. Klagen nach Hause, findet sie bei ihren Eltern keinen Rückhalt "bist ja<br />

frech genug".<br />

An die Grundschulzeit hat D. keine schönen Erinnerungen. Ihre sprachlichen<br />

Schulleistungen sind schlecht, auch hier findet D. keine Unterstützung<br />

im Elternhaus. "Du bist halt blöd".<br />

Die wenigen Umarmungen der Eltern sind "so hart", Küsschen werden von<br />

ihnen als "ekelig" empfunden.<br />

Vor allem die älteren Mädchen müssen schon früh Arbeiten übernehmen,<br />

Raum zum Spielen bleibt kaum. "Nach der Schule standen da 3 Körbe mit<br />

Bohnen, die mussten bis zum Abend gezupft, gekocht, verpackt und eingefroren<br />

werden." Der Bruder besucht das Gymnasium, er wird von den häuslichen<br />

Pflichten verschont. Für die Kinder gibt es wenig Verständnis, viele Regeln,<br />

häufig Prügelstrafe, vor allem von der Mutter. "Meine Mutter hat, glaube ich,<br />

kein Kind liebgehabt,...vielleicht meinen Bruder, der war gescheit, kannte sich<br />

aus."<br />

Eine schöne Kindheitserinnerung an ihre Mutter hat D. im Alter von 3 1/2<br />

Jahren: Ihre Mutter ist krank und liegt im Bett. D. darf zu ihr unter die Decke<br />

kriechen "es war schön, meine Mutter nur für mich zu haben". Der Vater hält<br />

sich zurück, er will nur seine Ruhe haben. Sind die Kinder mit ihm allein zu<br />

Hause, gibt es keine Schranken, es wird "auch mal gelacht".<br />

Das Verhältnis der Geschwister untereinander ist "lieblos..., die autoritären<br />

Strukturen (der elterlichen Erziehung) ... finden sich hier wieder."<br />

Während der Realschulzeit verliebt sie sich immer mal wieder, Treffen mit<br />

befreundeten Jungen werden vor den Eltern verheimlicht. Nach Abschluss der<br />

Schule ist D. orientierungslos. Auf Druck der Eltern beginnt sie eine kaufmännische<br />

Ausbildung in dem Betrieb, in dem auch ihre Eltern arbeiten.<br />

Sie lernt einen acht Jahre älteren Philosophiestudenten kennen, ihre erste<br />

richtige und intime Beziehung "man las ja in der Bravo, dass das so sein<br />

muss". Durch ihn wird sie an Literatur herangeführt, entwickelt sich zu einer<br />

lesebegeisterten Frau. Die Eltern nehmen den Freund nicht ernst, heimliche<br />

Treffen werden durch den Bruder, der vorübergehend aus dem Elternhaus<br />

ausgezogen ist, gedeckt. Von der älteren Schwester wird sie oft heimlich<br />

verfolgt und "verpfiffen". D. sieht darin die ihr bekannte Rivalität um die<br />

Gunst der Mutter bestätigt.<br />

Nach zwei unbefriedigenden Jahren Berufserfahrung beschließt D. gegen<br />

den Willen ihrer Eltern, das Abitur nachzumachen. "Ich kann was! Und das<br />

wollte ich ihnen beweisen". Sie muss zu Hause ausziehen, da ihre Eltern nicht<br />

dulden, dass sie nicht mehr arbeiten will. "Für meine Eltern war es wichtig,<br />

dass die Mädchen eine Lehre machen und den Führerschein, danach fühlten<br />

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