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Psychologische Interpretation. - Jochen Fahrenberg

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Die Frage nach der <strong>Interpretation</strong> der konnotativen Bedeutungen und der latenten<br />

Sinnstrukturen nimmt einen großen Raum in der Methodendiskussion ein.<br />

Latenz hat aber zwei hauptsächliche Bedeutungen: latent im Sinne von nicht<br />

offenbar, momentan nicht bewusst (vorbewusst) und latent im Sinne von dynamisch-verdrängt-unbewusst.<br />

Zur besseren Verständigung in den Grundsatzfragen<br />

sind Präzisierungen unerlässlich.<br />

Soll die tiefenpsychologische <strong>Interpretation</strong> von dynamisch-unbewussten<br />

Bedeutungen auf die Sonderfälle beschränkt bleiben, in denen eine psychoanalytische<br />

Deutearbeit im Prozess einer Therapie oder einer Lehranalyse möglich<br />

ist? In allen anderen Fällen wäre dieser Ansatz nicht adäquat.<br />

Bei einem Interview könnten wenigstens noch Informationen über den Kommunikationsprozess<br />

gewonnen und wesentliche Kontexte exploriert werden.<br />

Wenn nur ein isolierter Text ohne zusätzliche Kontextbedingungen vorhanden<br />

ist, sollte vielleicht auf die tieferen Auslegungen konnotativer und latenter Bedeutungen<br />

verzichtet und nur der manifeste Text analysiert werden. Diese vorsichtige<br />

und methodenkritische Haltung würde zwar eine höhere Konvergenz der<br />

Textanalyse erreichen können, jedoch die Heuristik und die Chancen der inhaltlichen<br />

Vertiefung aufgeben.<br />

Diese strategische Entscheidung kann jedoch nicht losgelöst von der fundamentalen<br />

Frage gesehen werden, ob unbewusste Themen und sehr individuelle<br />

Motive eines anderen Menschen überhaupt erschlossen werden können, ohne nur<br />

Spekulationen zu liefern.<br />

Wenn ein Verfahren durch spezielle Regeln der Signierung, Kodierung und<br />

Klassifikation zunehmend standardisiert wird, dann führt dies gewöhnlich zu<br />

einer Begrenzung und Einengung der potentiell aus dem Text zu gewinnenden<br />

Informationen. So werden z. B. singuläre Merkmale oft in einer Restkategorie<br />

zusammengefasst und verborgene konnotative und latente Beziehungen nicht<br />

begriffen. Dieses Dilemma ist offensichtlich nur im Hinblick auf die spezielle<br />

Fragestellung zu entscheiden. Dabei sind auch die Risiken der Anwendung eines<br />

Verfahrens im Vergleich zu anderen Untersuchungsmethoden abzuwägen.<br />

Die weitgehend formalisierte Textanalyse hat Vorzüge und Nachteile. Der<br />

Verlust an empirischer Vielfalt kann u. U. aufgewogen werden durch größere<br />

Durchsichtigkeit und auch Kontrollierbarkeit der Auswertung. Auch die zwischen<br />

Auswertern erreichbare Übereinstimmung und die Chancen zur<br />

Korrelation der Auswertungsergebnisse mit anderen Daten sind hier zu nennen.<br />

Für die Verbreitung und produktive Anwendung einer Methodik gibt es auch<br />

einige praktisch wichtige Bedingungen. Ist das Verfahren in Prinzipien, Strategien<br />

und Regeln so gut ausgearbeitet, dass es als eine gut lehrbare und lernbare<br />

Methodik gelten kann? Auch die Kosten-Nutzen-Aspekte dürfen nicht außer acht<br />

gelassen werden. Die Text- und Inhaltsanalysen erfordern Erfahrung und ein längeres<br />

Training<br />

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