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Psychologische Interpretation. - Jochen Fahrenberg

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selbst) zu zeigen. Auch ihre ersten intimen Erfahrungen resultieren nicht nur<br />

aus ihren eigenen Bedürfnissen oder Gefühlen, sondern weil "es" so sein<br />

muss. Sie empfindet sich als schlechte Hausfrau und Mutter.<br />

D. begibt sich auf die Suche nach Anerkennung und Bestätigung (durch<br />

Andere und sich selbst): als Kind, wenn sie über Erzieherinnen (Sanktionen)<br />

klagt, bewusst während ihrer Tätigkeit als Kauffrau, in der Abitursklasse,<br />

während ihrer Tätigkeit als Flugbegleiterin, nach dem Tod des ersten Ehemanns<br />

und schließlich nach der Geburt der Tochter.<br />

Die Beziehung zur Mutter ist äußerst widersprüchlich. D. empfindet, dass<br />

sie von ihrer Mutter in ihrem bisherigen Leben niemals Unterstützung, Interesse,<br />

Zuneigung oder gar Liebe erfahren hat. Sie hat immer auf Anerkennung<br />

von ihr gewartet, diese aber bisher nicht bekommen. D. hat den "Wunsch<br />

aufgegeben". Ihre erneute Kontaktaufnahme zur Mutter deutet jedoch in eine<br />

andere Richtung.<br />

Der Vater wird während des Interviews nur selten erwähnt. Seine Rolle erscheint<br />

im Vergleich zu Mutter eher im Hintergrund. Er wurde von der Mutter<br />

dominiert. Die <strong>Interpretation</strong> D's, er warte richtig darauf, einen Kuss zu bekommen,<br />

mag eine Wunschinterpretation von D. sein. Nichts in ihrem bisherigen<br />

Lebenslauf deutet darauf hin.<br />

Die kleine Schwester spielt in D's Leben scheinbar keine Rolle.<br />

Die Beziehung zur großen Schwester ist nicht schlüssig. In der Kindheit mögen<br />

sich die Schwestern nicht, buhlen um die Gunst der Mutter. Im Erwachsenenalter<br />

verstehen sich die beiden plötzlich sehr gut, tauschen sich aus. Nun<br />

ist der Kontakt nahezu abgebrochen.<br />

Zu ihrem Bruder äußert sie sich heute mit Genugtuung. Dieses Gefühl bezieht<br />

sich meiner Meinung nach eher auf die Eltern.<br />

Der Einfluss der Tochter auf D's Leben ist vielschichtig. Zunächst setzt D.<br />

hohe Erwartungen in sie (Zufriedenheit), die aber nicht erfüllt werden, sondern<br />

zu einer schweren Krise führen. Beschreibungen D's, die Tochter sei "so<br />

nett, so lieb", sind keine Zeugnisse für tiefe Zuneigung oder Begeisterung,<br />

sondern eher Sympathieäußerungen.<br />

Es scheint, dass D. (durch ihre Therapien?) gelernt hat, ihre eigenen, wahren<br />

Bedürfnisse besser zu erkennen und versucht, diese Erkenntnisse aktiv<br />

umzusetzen. Zur Zeit erscheint D. als zielstrebige, in ihren Lebenseinstellungen<br />

positive Frau.<br />

Kommentar zum zweiten Beispiel<br />

Auch das zweite Beispiel stammt von einer Teilnehmerin an einer einführenden<br />

Übung zur Biographik. 1 Die Verfasserin hat die Schilderung der Biogra-<br />

1 An dieser Stelle sei Frau Christiane Kuwert für dieses Beispiel und die ausdrückliche<br />

Zustimmung zur Veröffentlichung gedankt.<br />

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