27.11.2012 Aufrufe

Psychologische Interpretation. - Jochen Fahrenberg

Psychologische Interpretation. - Jochen Fahrenberg

Psychologische Interpretation. - Jochen Fahrenberg

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

phie und ihren <strong>Interpretation</strong>sansatz in zwei Gesprächsterminen vorbereitet,<br />

wobei das zweite Treffen stärker explorativ angelegt war.<br />

Die frühste Erinnerung stimmt bereits das charakteristische Thema an: die<br />

emotionale Kälte in den Familienbeziehungen. Die schwierige Kindheit mit<br />

dem problematischen Verhältnis zur Mutter und zu den Geschwistern wird<br />

eingehend dargestellt. Es gibt Versuche, sich aus diesen engen Verhältnissen<br />

zu befreien, durch Kontakte mit Freunden und vor allem durch die berufliche<br />

Entwicklung.<br />

Das Hauptthema dieser Biographie ist das konsequente Verfolgen der schulischen<br />

und beruflichen Ausbildung, mit Abitur und Studium der Sozialpädagogik,<br />

sowie die Gestaltung des privaten Umfeldes durch Heirat und Familiengründung.<br />

Diese Entwicklung und Verwirklichung von Lebenszielen stehen<br />

im größten Kontrast zu den als sehr einschränkend erlebten familiären<br />

und sozialen Bedingungen der Kindheit.<br />

In der Seminardiskussion wurde insbesondere dieser aktive und erfolgreiche<br />

Entwicklungsprozess, in dem D. schließlich auch ihren schon früh gewünschten<br />

Beruf verwirklicht, betont. Weiterhin wurde diskutiert, inwieweit<br />

das gewählte Fach Sozialpädagogik und auch der intensive Wunsch nach<br />

einem eigenen Kind als bewusste oder unbewusste Kompensation (Wunscherfüllung,<br />

Lebensplan) zur eigenen Kindheit zu interpretieren sind.<br />

Die beruflichen Anforderungen und die erstrebte, idealisierte Rolle einer<br />

guten (besseren) Mutter scheinen in Schwierigkeiten und Enttäuschungen<br />

geführt zu haben. In diesem Zusammenhang ist auch die Psychotherapie zu<br />

sehen, obwohl wir über deren speziellen Anlass nichts wissen. Grundsätzlich<br />

ist die Bereitschaft zu einer Psychotherapie mit gesprächspsychotherapeutischen<br />

und tiefenpsychologischen Komponenten in dieser biographischen<br />

Konstellation gut verständlich. Offenbar besteht die Absicht, psychologische<br />

Erklärungen für die Lebensprobleme zu suchen und psychologische Auswege<br />

bzw. Veränderungen zu erreichen.<br />

Diese Erfahrungen in der Psychotherapie führen noch zu einer anderen Perspektive.<br />

Die verstärkten psychologischen Reflektionen werden nicht ohne<br />

Folgen für das Selbstbild und die Selbst-<strong>Interpretation</strong> (vielleicht auch für das<br />

autobiographische Gedächtnis und psychologische Ursachen- Attribuierungen?)<br />

geblieben sein. Dies wäre zur Vertiefung dieser Biographie eine inhaltlich<br />

und methodisch interessante Blickrichtung, die allerdings noch ein weiteres<br />

Gespräch verlangt hätte.<br />

Unter den Stichworten Einsamkeit, Regeln, Ordnung, Pflichten, Stärkung<br />

des Selbstbewusstseins und Suche nach Bestätigung und Harmonie hat die<br />

Verfasserin wesentliche Themen herausgestellt und psychologisch kommentiert.<br />

So ist auch diese zweite Biographie ein wichtiges Anschauungsbeispiel<br />

für die Aufgabe, eine Biographie zu erheben und einen <strong>Interpretation</strong>sansatz<br />

zu entwickeln.<br />

391

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!