27.11.2012 Aufrufe

Psychologische Interpretation. - Jochen Fahrenberg

Psychologische Interpretation. - Jochen Fahrenberg

Psychologische Interpretation. - Jochen Fahrenberg

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Dominante Themen<br />

Ein bestimmtes Thema oder sogar das Hauptthema eines Textes zu identifizieren,<br />

erleichtert die Übersetzung. Mehrere Elemente erhalten einen ähnlichen<br />

Stellenwert und sind leichter in eine Konstruktion einzufügen. Eine zu frühe thematische<br />

Einengung hat aber den Nachteil, den Blick auf andere Bezüge zu verstellen.<br />

Aus psychologischer Sicht sind mit Themen biographisch zentrale<br />

Themen (Daseinsthemen) gemeint.<br />

In dynamischer Hinsicht handelt es sich um Entwicklungen, Zuspitzungen,<br />

Konflikte, Krisen und deren Überwindung oder Fortbestehen. In formaler und<br />

sprachlicher Hinsicht zeichnen sich Themen oft durch ihre Länge, Exposition<br />

und Formulierung aus. Das Thema kann auch aus der Fragestellung und aus dem<br />

praktischen Zweck einer Untersuchung deutlich werden. Die Dominantentechnik<br />

der <strong>Interpretation</strong> setzt bei dem auffälligsten Thema an und fügt die übrigen<br />

Einzelheiten hinzu, soweit das gelingt. So kann eine überzeugende <strong>Interpretation</strong><br />

schrittweise konstituiert werden.<br />

Auffälligkeiten und Hervorhebungen<br />

Auffälligkeiten, d. h. von konventionellen Inhalten und Erwartungen abweichende<br />

Text- und Stilelemente, kann es in vieler Hinsicht geben. Ein konventioneller<br />

Text kann gerade durch seine Konformität auffallen. Die besonders seltenen<br />

Inhalte oder Formulierungen (Individualität, Singularität, siehe oben) regen<br />

unmittelbar zur <strong>Interpretation</strong> an. Auch das Fehlen bzw. Nicht-Erscheinen von<br />

Inhalten, die nach psychologischer Erwartung gewöhnlich auftreten, kann auffällig<br />

sein. Andererseits gilt gerade eine <strong>Interpretation</strong>, die sich auf etwas<br />

bezieht, was nicht präsent ist, als Inbegriff der Spekulation. Hier könnten beliebige<br />

Behauptungen aufgestellt werden. So sehr im Einzelfall eine auffällige<br />

Lücke, ein Weglassen oder ein Schweigen psychologisch signifikant sein mögen<br />

– diese <strong>Interpretation</strong>en werden kaum sehr überzeugende Konstruktionen liefern.<br />

Es sei denn, der manifeste Text oder der Kontext liefern gewichtige Bestätigungen.<br />

In diesem Fall würde aber der Bezug auf latente Inhalte kaum mehr<br />

benötigt, um solche <strong>Interpretation</strong>en zu stützen.<br />

Wie in der Dominantentechnik kann es fruchtbar sein, auch von stilistischen<br />

Akzentuierungen im Text auszugehen. Akzentuierungen sind u. a. durch die hervorgehobene<br />

Position am Anfang und am Ende eines Textes, durch Wiederholungen,<br />

Variationen sowie durch andere Stilmittel des sprachlichen Ausdrucks<br />

gegeben. Ein Element kann bei einer bestimmten Person oder in einem bestimmten<br />

einem Kontext auffällig sein, in einem anderen nicht.<br />

Schon bei der ersten Durchsicht eines Textes entstehen Eindrücke, was wichtig<br />

sein könnte und näher betrachtet werden müsste. Wie solche Eindrücke entstehen<br />

und auf welche Hinweise sie sich stützen, ist in vielen anderen Bereichen<br />

der Psychologie seit langem untersucht worden: in der Wahrnehmungs- und<br />

46

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!