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Psychologische Interpretation. - Jochen Fahrenberg

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glieder und Körperöffnungen; aggressive Inhalte und Quälereien; Begierden,<br />

Obsessionen und Schuldgefühle; Assoziationsketten von Blut, Verwesung und<br />

Exkrementen.<br />

“Vor einem kubistischen Gemälde fragt man sich: ‘Was soll das darstellen?’<br />

Bei einem surrealistischen sieht man, was es darstellt, doch fragt man, ‘Was<br />

soll es bedeuten?’ Zu einem paranoischen Gemälde stellt man sich gleichzeitig<br />

drei Fragen: ‘Was sehe ich eigentlich? Was soll das darstellen? Was<br />

soll das bedeuten?’ Darauf hatte er seine eigene Antwort: ‘Das Ende der<br />

sogenannten, auf Faulheit, Einfachheit und fröhlichen Dekorativismus basierenden<br />

modernen Malerei.”<br />

(zit n. Etherington-Smith, 1998, S. 298).<br />

Dalí malte eindruckvolle Metamorphosen, Doppelbilder mit Vorder- und<br />

Hintergrund (z. B. Gesicht und Landschaft), Durchsichtigkeit von Objekten, berührungslos<br />

schwebende Körper, Spiegelungen. Ein konstruktiver Grundzug bestimmt<br />

die ungewohnten, widersprüchlichen Verbindungen und Fusionen, die originellen<br />

Assoziationsketten, unwirklichen Objekte und Arrangements (brennende Giraffen,<br />

Elefanten auf Stelzenbeinen, wuchernde Körperglieder); eine destruktive Grundströmung<br />

manifestiert sich in der Auflösung fester Dinge (zerfließende Uhren,<br />

Schubladenfiguren, Sprengungen), Zerlegung der Realität in Elemente und Gestaltzerfall.<br />

Hier werden Beziehungslosigkeit, Abwendung, Isolierung der Gegenstände,<br />

Fragmentierung, Leere und vielleicht Vorahnungen von Gewalt und Krieg gezeigt.<br />

In den Bildern erscheinen eine reiche und exzentrische Assoziationsfähigkeit,<br />

verblüffende Einfälle, Traumbilder, Halluzinationen und Symbolwelt des Unbewussten.<br />

Es scheint ein paranoischer Prozess des Denkens und Phantasierens zu<br />

sein.<br />

Nun wird es aus kunstwissenschaftlicher Sicht für die Geltung eines Kunstwerks<br />

vielleicht belanglos sein, aus welcher individuellen Psychologie oder Verfassung<br />

ein Bild entstanden ist. Dalí nimmt hier jedoch einen besonderen Platz ein. Dies<br />

liegt nicht allein an seinen ungewöhnlichen Bildmotiven, sondern auch an seinen<br />

Kommentaren und seinem Lebenslauf (Etherington-Smith, 1998; Gibson, 1997).<br />

Seine eigenen psychologischen Deutungen trugen dazu bei, <strong>Interpretation</strong>shypothesen<br />

zu beflügeln, vielleicht aber auch vorschnell einzuengen.<br />

Dalís Praxis und Theorie<br />

Es ist biographisch belegt, dass Dalí von den Ideen der Psychoanalyse stark<br />

beeinflusst wurde. Er hatte etwa im Jahr 1925 Freuds “Traumdeutung” und ande-<br />

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