27.11.2012 Aufrufe

Psychologische Interpretation. - Jochen Fahrenberg

Psychologische Interpretation. - Jochen Fahrenberg

Psychologische Interpretation. - Jochen Fahrenberg

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Trauminterpretation bekannte Unterscheidung von Objektstufe und Subjektstufe<br />

auf. Die geschilderten Figuren können auf der Objektstufe als reale Bezugspersonen<br />

und auf der Subjektstufe als Repräsentanten verschiedener Seiten des<br />

Erzählenden gedeutet werden. Hinzu kommt noch die <strong>Interpretation</strong> auf der<br />

Übertragungsebene, wenn der Eindruck entsteht, dass Phantasien und Emotionen<br />

auf die Person des Therapeuten übertragen werden.<br />

Angesichts dieser zahlreichen Ebenen und entsprechenden Auslegungsmöglichkeiten<br />

wird verständlich, dass Rauchfleisch im TAT keinen Test, sondern<br />

ein heuristisches Verfahren sieht.<br />

Revers und Allesch (1985; Revers & Widauer, 1985) ersetzten das veraltet<br />

erscheinende Bildmaterial durch eine neue, z. T. auch farbige Zeichnungen<br />

enthaltende Serie mit 33 Tafeln. Dieser Thematische Gestaltungstest Salzburg<br />

TGT-S weicht auch in der theoretischen Orientierung und in der Auswertung<br />

stark vom TAT ab. Die Bilder wurden ausdrücklich im Sinne einer biographischen<br />

Themenreihe ausgewählt. Statt durch die Identifikationshypothese wie<br />

beim TAT wird die Auswertung durch eine vorsichtigere inhaltlich-deskriptive<br />

Methode der <strong>Interpretation</strong> geleitet.<br />

Eine bemerkenswerte Verfahrensvariante von Gitzinger-Albrecht (1992) verwendete<br />

einige dem TAT ähnliche, aber stärker akzentuierte Bilder mit aktualgenetischer<br />

Methodik, um den psychodynamischen Deutungs- und Abwehrprozess von<br />

Patienten einer Psychotherapie-Klinik zu erfassen. Bei diesem Verfahren wurden<br />

die Bilder computer-unterstützt mit extrem kurzer und dann zunehmender Expositionsdauer<br />

von 14 bis 2000 ms gezeigt bis sich die nach jeder Exposition gegebenen<br />

Reaktionen zu einem deutlichen Eindruck vom Bildinhalt ausgeformt hatten.<br />

Evidenz<br />

Bei Zweifeln an projektiven Tests wird gelegentlich auf Erfahrungen mit<br />

spezieller Evidenz verwiesen wie im folgenden Beispiel: In einem Gutachterseminar<br />

war ohne Kenntnis weiterer Personaldaten eine TAT-Auswertung vorzutragen.<br />

An dem Protokoll fielen zwei seltene Besonderheiten auf. Zur Tafel 8<br />

BM, dem Bild mit der angedeuteten Operationsszene, kam erst nach längerem<br />

Schweigen eine kurze Geschichte und zur Tafel 13 MF (auf einem Bett liegt ein<br />

Frauenkörper, davor steht ein Mann, der sich den Arm vor das Gesicht hält) konnte<br />

überhaupt nichts erzählt werden. Die auch durch Geschichten zu anderen<br />

Tafeln gestützte psychologische <strong>Interpretation</strong>, dass die untersuchte Person eine<br />

schwerwiegende, aggressiv getönte Sexualproblematik haben könne, schien sehr<br />

gewagt und spekulativ. Später stellte es sich heraus, dass es sich um den Test<br />

eines in Haft befindlichen mehrfachen Sexualmörders handelte. – Solche<br />

“Anekdoten” sind nicht mit einer empirisch-statistischen Validierung zu vergleichen,<br />

z. B. einer Korrelation zwischen der von Experten eingestuften Ausprägung<br />

manifester oder latenter Aggressivität in TAT-Geschichten und Kriterien<br />

234

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!