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Psychologische Interpretation. - Jochen Fahrenberg

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Die manchmal als Alexithymie (griech.-lat. a lexi ohne Sprache, thymos Gemüt)<br />

bezeichnete emotionale Sprachlosigkeit wurde von einigen Autoren als wichtige<br />

Disposition zu bestimmten psychosomatischen Krankheiten angesehen. Die empirischen<br />

Belege waren aber unzureichend (Franz et al., 1999; von Rad, 1983,<br />

Thomä & Kächele, 1999). Da auch aus der psychotherapeutischen Tätigkeit vielfältige<br />

Kommunikationsstörungen, u. a. bei neurotischen Störungen, bekannt sind,<br />

gab es verschiedene Versuche, die soziolinguistische und die psychodynamische<br />

Sichtweise zu kombinieren (siehe u. a. Lorenzer 1973, 1981).<br />

Ein anschauliches Beispiel, wie auch im biographischen Interview wichtige<br />

Missverständnisse entstehen können, gab Wiersma (1988). Sie untersuchte sehr<br />

eingehend über einen Zeitraum von drei Jahren, was Frauen über den selbstgewählten,<br />

freiwilligen Wechsel von ihrer Tätigkeit in der Familienphase zu einer<br />

beruflichen Tätigkeit außerhalb des Hauses berichteten. Die Analyse dieser<br />

Kommunikationen und der weitere Verlauf ergaben, dass die anfänglichen<br />

Selbstdarstellungen stereotyp und weitgehend unzutreffend waren. Diese<br />

Verzerrungen waren aus dem sozialen Kontext zu verstehen, denn für diese<br />

Frauen war die Berufsaufnahme ein Verstoß gegen die normative Erwartung,<br />

welche die Entwicklung von Berufsrollen erschwert oder verhindert.<br />

11.4 Konzeptionen prozessbezogener<br />

Persönlichkeitsanalyse<br />

Biographien können wie Autobiographien singuläre Darstellungen sein und dann<br />

ihren Zweck in sich tragen. Die individuelle Entwicklung und die Lebenswelt<br />

werden einfühlend geschildert und auf diese Weise wird ein vertieftes<br />

Verständnis dieser Person gewonnen. In der wissenschaftlichen Psychologie,<br />

ihrer Forschung und Berufspraxis, gelten andere Ziele. Thomae (1968) hat sich<br />

sehr eingehend mit den möglichen Erkenntniszielen befasst. Für ihn steht fest,<br />

dass sich die psychologische Biographik nicht auf den Einzelfall und das<br />

Verstehen einer Person beschränkt, sondern typisierende oder verallgemeinernde<br />

Schlussfolgerungen versuchen wird.<br />

Hier werden drei Konzeptionen näher beschrieben. Es sind grundlegende<br />

Leistungen, denen die Perspektive auf die Persönlichkeitsentwicklung, auf<br />

Veränderungen und auf Prozesseigenschaften gemeinsam ist. Wegen ihres theoretischen<br />

und methodischen Anspruchsniveaus und aus anderen Gründen sind<br />

diese Konzeptionen heute kaum noch in der Praxis anzutreffen, obwohl sie sich<br />

ausdrücklich auch auf praktische Fragestellungen beziehen. Sie sind als grundlegende<br />

und in ihren Prinzipien weiterführende Konzeptionen für eine forschungsorientierte<br />

Praxis anzusehen.<br />

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