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Psychologische Interpretation. - Jochen Fahrenberg

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Widersprüche darzulegen. Diese beziehungsstiftende, heuristische Funktion ist<br />

ein wesentliches Merkmal der <strong>Interpretation</strong>.<br />

Heuristik (griech. finden, erfinden) ist die Lehre von den Begriffen und<br />

Methoden, die unsere Erkenntnis erweitern, aber selbst noch keine Gründe<br />

oder Beweise geben. Es sind Annahmen, Arbeitshypothesen, vermutete<br />

Zusammenhänge oder Modelle, die einen heuristischen Wert als Entwürfe<br />

haben.<br />

Eine überzeugende <strong>Interpretation</strong> verlangt jedoch mehr. Jeder Untersuchungsbefund<br />

wurde unter bestimmten Voraussetzungen gewonnen. Es gibt häufig<br />

methodische Schwierigkeiten oder organisatorische Mängel, so dass die Daten<br />

vielleicht nicht so zuverlässig und gültig sind wie es erwartet wurde. Diese<br />

Vorbehalte sind herauszuarbeiten und kritisch zu bewerten, damit andere das<br />

Ergebnis in den gegebenen Grenzen nachvollziehen können. Vielleicht gewinnt<br />

die <strong>Interpretation</strong> sogar an Überzeugungskraft, wenn Grenzen aufgezeigt werden<br />

oder wenn denkbare Alternativen mit guten Argumenten zurückgewiesen werden.<br />

Diese abwägende und auch selbstkritische Einstellung kennzeichnet die<br />

methodisch kompetente <strong>Interpretation</strong> einer psychologischen Untersuchung.<br />

Das Beispiel des Experiments lässt erkennen, welche vielfältigen Zusammenhänge<br />

durch eine <strong>Interpretation</strong> erschlossen werden können. Wir benötigen<br />

Strategien, um nicht die Orientierung zu verlieren und in der Vielfalt unterzugehen.<br />

Bestimmte Verfahrensweisen und Zielvorstellungen helfen, unsere <strong>Interpretation</strong><br />

zu entwickeln. Dieser Prozess geht weit über eine sprachliche Übersetzung<br />

hinaus. Er ähnelt der Konstruktion eines Gebäudes, hat aber den<br />

Vorzug, dass Teile der Konstruktion oder sogar der gesamte Aufriss während<br />

dieser Entwicklung geändert, umgestaltet und verbessert werden können, um<br />

schließlich zu überzeugen.<br />

Verhaltensbeobachtungen<br />

Auch das beobachtete Verhalten muss psychologisch interpretiert werden. Nur in<br />

seltenen Fällen wird eine Verhaltensweise isoliert zu begreifen sein (“Verhalten<br />

erklärt sich nicht selbst”). Verhaltenswissenschaftlich ist nicht nur nach dem<br />

aktuellen körperlichen Zustand und nach den situativen Anreizbedingungen zu<br />

fragen, sondern auch nach den Kontingenzen, d. h. den Beziehungen zwischen<br />

einer Verhaltensweise und ihren Konsequenzen. Dies führt zu den Zusammenhängen<br />

mit der individuellen Lerngeschichte weiter. Außerdem ist auf der subjektiven<br />

Ebene zu überlegen: Was beabsichtigte das Individuum mit einer<br />

Handlung? Wie wurde die Situation, in der das Verhalten stattfand (das<br />

“Behavior Setting”), erlebt und bewertet?<br />

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