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Psychologische Interpretation. - Jochen Fahrenberg

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“Unter dem Selbstkonzept kann demnach die Gesamtheit der auf die eigene Person<br />

bezogenen Beurteilungen verstanden werden” definierte Mummendey (1995,<br />

S. 55). Eine Untergliederung dieses allgemeinen Selbstkonzepts kann auf mehreren<br />

Ebenen versucht werden, z. B. leistungsbezogenes Selbstkonzept – Selbstkonzept<br />

der schulischen Leistung – Selbstkonzept hinsichtlich der mathematischen Fähigkeiten.<br />

Aus der Selbstkonzeptforschung und speziell auch aus den Untersuchungsergebnissen<br />

über die Motive und Formen der Selbstdarstellung sind viele für<br />

die Biographik und Interviewmethodik wichtige Anregungen zu entnehmen.<br />

Skripte<br />

Tomkins (1987), der ein wichtiger Mitarbeiter Murrays war, hat später ein anderes<br />

Verfahren der biographischen Analyse ausgebaut. Den Bezugsrahmen lieferte<br />

seine eigene Theorie der Affekte und die allgemeine Skripttheorie. Er entwickelte<br />

eine Taxonomie von Szenen und Skripts als Beschreibungseinheiten im<br />

Sinne der Metapher: Die Person ist ein Stückeschreiber (playwright), der von den<br />

ersten Lebenswochen an sein persönliches Stück (drama) schreibt.<br />

Die elementarste Einheit ist die Szene, d. h. ein affektbesetzes Geschehen, das<br />

entworfen (nicht passiv erlebt oder objektiv beobachtet) wird. Solche Szenen<br />

unterscheiden sich in ihrer Ausstattung hinsichtlich Personen, Objekten,<br />

Handlungen und der repräsentierten psychologischen Funktionen; sie müssen<br />

aber mindestens einen Affekt und ein Objekt dieses Affektes haben. Szenen<br />

sagen was passiert; Skripts sagen, wie mit diesen Szenen umzugehen ist. Skripts<br />

sind nicht die von einer Person erzählten Muster selbst, sondern die zugrundeliegenden,<br />

eher unbewussten, individuellen Systeme von Regeln, zum Umgang<br />

mit einer Anzahl ähnlicher Szenen. Diese Skripte sind nicht mit Bedürfnissen<br />

oder persönlichen Konstrukten gleichzusetzen. Tomkins wollte typische Formen<br />

psychischer Prozessmuster erfassen, wie mit affekthaltigen Szenen umgegangen<br />

wird. Die Heuristik dieser Skripts als Beschreibungseinheiten wurde von Carlson<br />

(1988) in zwei biographischen Studien erläutert.<br />

Dieser Ansatz ist offensichtlich noch nicht so weit ausgebaut und operationalisiert<br />

wie die thematische Analyse von Murray und die differenzierte und<br />

zugleich umfassendere Methodik von Thomae. Die Skripts sind sehr komplexe,<br />

nur durch weitreichende <strong>Interpretation</strong> zu erschließende Prozessabstraktionen.<br />

Als Einheiten der biographischen Beschreibung sind sie zumindest im ersten<br />

Schritt kaum geeignet. Ihre Heuristik wird auch von prägnanteren Definitionen<br />

und Kodierungen abhängen und von der Frage der Auswertungs-Zuverlässigkeit.<br />

Fragwürdig bleiben auch – wie die anderen Metaphern, welche für theoretische<br />

Konzepte der Psychologie unnötig den Computer und dessen Programmierung<br />

strapazieren – die von Tomkins gewählten kognitivistischen Metaphern: Stückeschreiber,<br />

Szene und Skript. Es gibt ja keinen Homunculus, der ein Theaterstück<br />

oder ein Computerprogramm schreibt. Vielmehr ist es das lebendige Gehirn, das<br />

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