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Psychologische Interpretation. - Jochen Fahrenberg

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Kommentar zur Methodik<br />

Diese Sprachinhaltsanalyse bezieht sich nur auf zwei – allerdings herausragende<br />

– Bereiche: Angst und Aggressivität. Es ist eine weitgehend standardisierte thematische<br />

Analyse mit quantitativer Auswertung von Anzahl und Intensität der<br />

Merkmale.<br />

Die standardisierte Durchführung und die Regeln für die Segmentierung<br />

(wobei eventuell die Kontexteinheit zu berücksichtigen ist) lassen bei der Auswertung<br />

nicht viel subjektiven Spielraum. Die Klassifikation der Angstphänomene,<br />

wird von Studierenden im <strong>Psychologische</strong>n Praktikum als Arbeitskonzept<br />

meist akzeptiert. Dagegen wird die quantitative Gewichtung der Angstintensität<br />

oft kritisiert. Die Gewichte wirken willkürlich und die Berechnung eines Gesamtwertes<br />

besonders fragwürdig. Kann manifeste Angst auf diese Weise quantifiziert<br />

werden? Das Rechenverfahren zeigt, dass hier faktisch eine Intervallskalierung<br />

der Angst-bezogenen Textinhalte postuliert wird.<br />

Diese grundsätzliche Kritik ist leichter zu formulieren als eine methodische<br />

Alternative. Wie könnte die von Text zu Text sehr unterschiedliche Anzahl und<br />

Ausprägung der Angsthinweise in Begriffen von größer-kleiner-Relationen (Ordinalskala)<br />

beschrieben werden und dennoch einen Vergleich innerhalb und zwischen<br />

Personen gestatten? Auch in den sehr verbreiteten Persönlichkeitsfragebogen<br />

und klinischen Skalen werden meist solche Punktsummen gebildet und<br />

verglichen (siehe Abschnitt 9.6).<br />

Am Beispiel dieser Sprachanalyse ist deutlich zu machen, wie fragwürdig die<br />

Intervallskalierung ist. Statt dieser auf gleiche Einheiten angelegten Verrechnung<br />

sind entweder eine Typisierung von häufig auftretenden Merkmalsmustern oder<br />

eine Rangordnung der zu vergleichenden Geschichten (bzw. Personen) möglich.<br />

Diese Ordinalskalierung kann hinsichtlich jedes einzelnen Merkmals oder hinsichtlich<br />

des Gesamteindrucks von Angstaffekten vorgenommen werden.<br />

Die Gottschalk-Gleser-Methode verlangt wie alle anderen Verfahren ein Training.<br />

Deshalb können in einem einführenden Buch oder in einem Empiriepraktikum<br />

im Grundstudium der Psychologie keine befriedigenden Ausgangsbedingungen<br />

bestehen. Diese Methodik ist jedoch durch ihren begrenzten Inhaltsbereich<br />

und durch die ausgearbeiteten Regeln für diesen didaktischen Versuch eher<br />

geeignet als andere Verfahren.<br />

In den 70er und 80er Jahren war diese Methodik der Inhaltsanalyse relativ verbreitet.<br />

Das fachliche Interesse hat sich dann eher auf andere Ansätze, z. B. freiere<br />

narrative Interviews oder auf relativ festgelegte computer-unterstützte Textanalysen<br />

verlagert. Deshalb verdienen Vergleichsstudien zwischen der Gottschalk-Gleser-Methode<br />

und der computerunterstützten lexikalischen Beschreibung<br />

von affektiven Inhalten (Michal, 1998) besonderes methodisches Interesse.<br />

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