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Psychologische Interpretation. - Jochen Fahrenberg

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Der Zweck eines Interviews kann auf den Stil und die Inhalte der Berichte<br />

zurückwirken. Ein Forschungsinterview, dessen Ergebnisse anonym bleiben,<br />

unterscheidet sich grundsätzlich von einem diagnostischen Interview oder dem<br />

Einstellungsgespräch über eine ausgeschriebene Position. Das Interview erhält<br />

neue Dimensionen:<br />

• durch Vertraulichkeit/Datenschutz oder Weitergabe von Informationen an<br />

einen Auftraggeber, und damit zusammenhängend<br />

• mögliche Einflüsse der “sozialen Erwünschtheit” bestimmter Aussagen;<br />

• durch den – auch aus berufsethischer Sicht notwendigen – Nachweis der<br />

methodischen Qualität, der diagnostischen Treffsicherheit und des praktischen<br />

Entscheidungsnutzens der Interviewmethode.<br />

6.5 Erzählte Zeitgeschichte, Tagebücher und<br />

Psychohistorie<br />

Erzählte Zeitgeschichte<br />

Die Arbeitsrichtung, die sich auf mündlich vermittelte Biographie und<br />

Zeitgeschichte (oral history) stützt, hat viele bisher weniger beachtete Lebenswelten<br />

erschlossen. Es geht nicht um die Protagonisten im öffentlichen Leben<br />

und um die Memoirenschreiber, sondern um die Aufzeichnung von Alltagsgeschichte,<br />

die sonst nur mündlich überliefert und dann bald verloren wäre.<br />

Solche Lebenserfahrungen sind in England und in den USA schon seit langem in<br />

der oral history gesammelt worden. Dies entspringt einem zeit- und sozialgeschichtlichen<br />

Bedürfnis, ein kollektives Gedächtnis zu bilden (deMause, 2000;<br />

Perks & Thomson, 1989; Sarbin, 1986; Thompson, 1978).<br />

“Eine demokratische Zukunft bedarf einer Vergangenheit, in der nicht nur die<br />

Oberen hörbar sind. Viele Bemühungen der neueren Sozialgeschichte sind deshalb<br />

darauf gerichtet, auch und gerade diejenigen ins Geschichtsbild zu holen,<br />

die nicht im Rampenlicht gestanden haben.” (Niethammer, 1985, S.1).<br />

Die Beiträge zu diesem Sammelband geben ein breites Spektrum von Beispielen<br />

und methodischen Aspekten. Mehrere Beiträge sind den Erfahrungen von Arbeitern<br />

u. a. sozialgeschichtlichen Themen gewidmet. Die Anmerkungen verzeichnen<br />

zahlreiche Archive und Materialsammlungen zur oral history in Deutschland.<br />

Psychohistorie kann allgemein als Anwendung von psychologischen und psychoanalytischen<br />

Konzepten auf die Geschichte verstanden werden (Deutsche<br />

Gesellschaft für Psychohistorische Forschung e. V., www.psychohistorie.de).<br />

An der Universität Bremen gibt es ein Institut für angewandte Biographie und<br />

Lebensweltforschung, das durch Projekte, Lehre und Publikationen hervortritt<br />

(Internet-Adresse: www.ibl.uni-bremen.de) und in der Deutschen Gesellschaft<br />

für Soziologie wurde eine Sektion Biographieforschung gebildet.<br />

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