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Psychologische Interpretation. - Jochen Fahrenberg

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eite Überzeugungskraft abnehmen. Divergenz und Überzeugungskraft sind<br />

nicht allgemeingültig zu bestimmen, sondern nur aus den Beurteilungen einer<br />

Bezugsgruppe abzuleiten.<br />

Diese Begriffsbildung enthält wesentliche Aspekte dessen, was mit Heuristik und<br />

mit der Evidenz einer Auslegung gemeint ist, verbindet diese jedoch mit methodischen<br />

Konzepten. Tiefe und Divergenz der <strong>Interpretation</strong> werden als Kontinua aufgefasst.<br />

Es gibt protokollierbare Schritte und Möglichkeiten empirischer<br />

Prüfungen. Die Interpreten haben einen Entscheidungsspielraum, in dem sie zwischen<br />

möglicher Tiefe und gewünschter Überzeugungskraft abwägen können.<br />

Zwar sind sehr tiefe und gerade deswegen besonders überzeugende <strong>Interpretation</strong>en<br />

denkbar, doch wird es sich dabei eher um Ausnahmefälle handeln. Belege<br />

hierfür sind in der Fachliteratur und in den tiefenpsychologischen <strong>Interpretation</strong>en<br />

von literarischen Werken und Biographien zu finden. Als extreme<br />

Beispiele tiefster <strong>Interpretation</strong>en, die jedoch nur eine Minderheit von Personen<br />

überzeugen, können Geheimlehren und Verschwörungstheorien, übernatürliche<br />

Erklärungen von Heilungen, Unfällen, Attentaten, oder esoterische Lehren<br />

genannt werden. Im sensitiven Beziehungswahn und im paranoiden Denken ist<br />

dieses tiefe Verstehen sogar nur einer einzelnen Person möglich (siehe auch<br />

Abschnitt 3.6).<br />

<strong>Interpretation</strong>stiefe und <strong>Interpretation</strong>sdivergenz sind Konzepte, den Prozess<br />

der <strong>Interpretation</strong> operational genauer zu kennzeichnen. Hier werden sich zahlreiche<br />

weitere Fragen anschließen. In welchem Bereich zunehmender Divergenz<br />

kann die Inhaltsanalyse noch aussichtsreich konvergent geleistet werden? Wo<br />

müssen wissenschaftliche Untersuchungen und wo müssen Anwendungen, die u.<br />

U. nachhaltige Konsequenzen für andere Personen haben, abgebrochen werden?<br />

An welchen Kriterien ist die Grenzüberschreitung abzulesen, dass die Deutung<br />

zu spekulativ, die <strong>Interpretation</strong> zur Dichtung wird? Dies muss heute – zumindest<br />

in den Anwendungsfeldern der empirischen Psychologie und Sozialwissenschaft<br />

– genauer gesagt werden können, d. h. in den Begriffen von Gütekriterien<br />

(Zuverlässigkeit und Validität in ihren verschiedenen Aspekten). Dazu gehört<br />

auch die kritische Evaluation der Ergebnisse (mit entsprechendem Appell an die<br />

fachliche Qualitätskontrolle).<br />

Form, Inhalt und Gehalt, Information und Sinn<br />

Diese traditionellen Begriffe beziehen sich alle auf Charakteristika eines Textes<br />

oder anderer Materialien. Es handelt sich jedoch nicht um voneinander unabhängige<br />

Eigenschaften, sondern um Aspekte oder Abstraktionen. So ist die Form<br />

vom Inhalt abstrahiert, wenn die Wortwahl und Satzbildung, das Layout und die<br />

Schrifttype eines Textes betrachtet werden. Der Inhalt ist wiederum von der formalen<br />

Darstellung zu abstrahieren, obwohl die Wirkung oft von den formalen<br />

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