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Psychologische Interpretation. - Jochen Fahrenberg

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Auch eine systematische Diskussion der Evidenz und Überzeugungskraft von<br />

Traumdeutungen fehlt in den Lehrbüchern der Traumpsychologie weitgehend.<br />

Am prägnantesten bleibt noch Freuds Erläuterung, dass die Deutearbeit zu hypothetischen<br />

Konstruktionen führt, welche anschließend in der Kommunikation<br />

und in der therapeutischen Situation geprüft werden müssen (siehe Kapitel 2).<br />

Auf die empirische Prüfung solcher Hypothesen im Prozess scheinen jedoch die<br />

meisten der Interpreten zu verzichten, zumindest werden solche Strategien kaum<br />

diskutiert.<br />

Über die Prüfung von Konvergenzen und Divergenzen der Deutung in einer<br />

<strong>Interpretation</strong>sgemeinschaft (mit interaktiven und dialogischen <strong>Interpretation</strong>en)<br />

oder durch unabhängige Interpreten ist in den genannten Lehrbüchern nichts zu<br />

finden. Ebenso fehlt eine methodenkritische Erörterung der häufigsten Fehlerquellen.<br />

Auch eine systematische Diskussion von Kontextinformationen sowie<br />

die Klassifizierung und Untersuchung von Einfällen und Assoziationen wäre<br />

sinnvoll. Wie entwickeln sich die Heuristik und die Konvergenzen bei<br />

Deutungen mit und ohne solche Zusatzinformationen? Einige dieser Aspekte<br />

könnten durchaus empirisch untersucht werden.<br />

Nicht nur die <strong>Interpretation</strong>, sondern bereits die Träume könnten sich inhaltlich<br />

unterscheiden. Im Verlauf einer Psychotherapie werden sich die theoretische<br />

Orientierung des Therapeuten, sein Interesse für bestimmte Themen und der Stil<br />

seiner Deutungen auf den Patienten und seine Traumproduktion auswirken. Es<br />

wäre möglich, dass typische dynamische Muster aktualisiert werden, aber auch<br />

Erwartungen entstehen und Lernprozesse stattfinden.<br />

Gibt es vielleicht Trauminhalte, die für bestimmte Schulen typisch sind?<br />

Dieser Frage ging eine empirische Untersuchung von C. Fischer (1978) an<br />

Traumserien (insgesamt 240 Träumen) von acht Patienten während einer<br />

Psychotherapie nach. Bei vier dieser Patienten war die Psychotherapie an Freud,<br />

bei den andern vier an Jung orientiert. Die von 34 Studentinnen durchgeführte<br />

formale Inhaltsanalyse umfasste 10 Kategorien. “Die Träume der FREUD’schen<br />

Patienten enthielten mehr triebdynamische (aggressive und sexuelle) Inhalte, sie<br />

waren intensiver affektiv gefärbt, und der Träumer war in ihnen häufiger in eine<br />

aktive Auseinandersetzung mit seiner Umwelt verstrickt.<br />

Die Träume der JUNG’schen Patienten enthielten häufiger mythologische und<br />

regressive (die Vergangenheit des Träumers betreffende) Inhalte, sie waren extremer<br />

irrational und von Alltagssituationen weit entfernt, und in ihnen kamen häufiger<br />

Naturinhalte vor.” ... “In den FREUD’schen und den JUNG’schen Traumserien<br />

kamen entgegen unseren Erwartungen, gleichviel als archetypisch eingestufte<br />

Träume vor. Die archetypischen Träume der JUNG’schen Traumserien<br />

waren jedoch sehr viel häufiger mit einer mythologischen Komponente versehen,<br />

was unserer Erwartung entsprach.” (C. Fischer, 1978, S. 225).<br />

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