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Psychologische Interpretation. - Jochen Fahrenberg

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gische <strong>Interpretation</strong> der wichtigsten psychologischen Episoden und Motive<br />

dieses Tageslaufs versucht.<br />

Diese Aufgabe lenkt den Blick auf die verschiedenen, im Selbstbericht<br />

untrennbaren (konfundierten) Ebenen des Verhaltens, des Erlebens und der<br />

Reflektion. Hier werden die unvermeidlichen Auswahlprozesse deutlich, sie<br />

führen zu Fragen nach ihren selektiven und inferentiellen Funktionen sowie<br />

deren Gründen und Konsequenzen.<br />

Auf der ersten Ebene wird also die allgemeine Lebensumwelt – hier auf den<br />

unmittelbaren alltäglichen Kontext beschränkt – aufgezeichnet. Dieses “Setting”<br />

oder “Behavior Setting” (engl. Anordnung) ist in verschiedener Hinsicht weitgehend<br />

objektiv zu beschreiben: durch Zeit und Ort, durch anwesende Personen<br />

und durch die objektiven Ereignisse und Bedingungen, unter denen die<br />

Tätigkeiten stattfinden.<br />

Zur zweiten Ebene gehört die subjektive Bewertung des Setting als individuell<br />

erlebte Situation (lat. situs, Lage). Ein Setting hat für uns in der Regel einen<br />

mehr oder minder deutlichen Aufforderungscharakter, welche Tätigkeiten hier<br />

passend oder nicht passend sind. Der wahrgenommene Aufforderungscharakter<br />

ergibt sich in der Wechselbeziehung von individuellen Personenmerkmalen und<br />

objektiven Settingmerkmalen und bedingt die Tätigkeiten. Zu dieser Ebene<br />

gehört vor allem die möglichst spontane Beschreibung der Befindlichkeit, der<br />

allgemeinen Stimmung und der emotionalen Reaktionen.<br />

Eine dritte Ebene ist die psychologische Reflektion, d. h. das bewusste Nachdenken,<br />

über das Tagesgeschehen. Welches sind die psychologisch wichtigen<br />

Episoden? Gibt es hier Zusammenhänge oder Auffälligkeiten? Welches sind die<br />

Motive des aktuellen Verhaltens, die Absichten der Handlungen und die Anlässe<br />

emotionaler Reaktionen? Diese Bewertungen hängen zwar mit den Aussagen<br />

über die subjektiven Zustände (zweite Ebene) eng zusammen, verlangen aber<br />

mehr psychologische Überlegungen. Bei diesem Versuch einer Analyse der<br />

inneren und äußeren Bedingungen werden sich auch rückblickende und vorausblickende<br />

Perspektiven ergeben. Das Tageslauf-Protokoll kann hier nicht die<br />

Absicht haben, eine Zusammenschau aller Tagesereignisse zu leisten oder zu<br />

einer differenzierten Selbstinterpretation anzuregen.<br />

Der erste Zweck der Übung ist es, einen Versuch zur Unterscheidung der drei<br />

Ebenen (objektive Umgebung/Setting/Tätigkeit, Introspektion, Reflektion) zu<br />

unternehmen. Das zweite Ziel ist die eigene Erfahrungsbildung über die<br />

notwendigen Auswahlprozesse für ein solches Tageslauf-Protokoll.<br />

Das Protokollblatt hat mehrere Spalten, um an die Unterscheidung der Ebenen<br />

zu erinnern (siehe Muster). Dieses Protokoll ist – wenn irgend möglich – tagsüber,<br />

ungefähr in stündlichen Abständen, wenigstens durch kurze Einträge zu<br />

führen. Falls dies nicht gelingt, werden u. U. in der Zwischenzeit eingetretene<br />

wichtige Veränderungen nicht erfasst. Ein erst am Abend ausgefüllter<br />

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