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Psychologische Interpretation. - Jochen Fahrenberg

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hinsichtlich der Wechselmerkmale interessant... Nebenbei sei gesagt, daß das für<br />

jedes Verfahren besondere Probleme, die in der Art der Verfahrensweise begründet<br />

sind, mit sich bringt.” (1948, S. 23).<br />

Ein diagnostisches Verfahren liefert also neben den konstanten Merkmalen<br />

Hinweise auf “Wechselmerkmale”, denen eine “Verlaufsgestalt” zugrunde liegt (S.<br />

24 f.). Die Verlaufsgestalt ist keine Eigenschaft mit fester Ausprägung und ist auch<br />

keine konstante Reaktionsform im herkömmlichen Sinn, sondern zeigt wechselnde,<br />

veränderliche Züge, ist zugleich aber hartnäckiger als die meisten Eigenschaften.<br />

Verlaufsgestalten sagen nichts über das konstante Verhalten der Persönlichkeit, zeigen<br />

dafür aber um so deutlicher, “wo tiefere Antriebsgestalten liegen” (S. 27).<br />

Heiß beschrieb verschiedene Formen von Verlaufsgestalten. Wenn wir eine<br />

Person lange kennen, werden wir solche charakteristischen Abläufe sich wiederholen<br />

sehen: in ihren Stimmungsschwankungen und emotionalen Äußerungen,<br />

in eigenartigen Reaktionen und im sozialen Verhalten. Diese Schwankungen und<br />

Verlaufsgestalten zeigen innere Bewegungsgesetze der Persönlichkeit an. Solche<br />

Abläufe wiederholen sich trotz wechselnder Situationen, und eine Längsschnittanalyse<br />

müsste solche Grundgestalten erkennen lassen. Später sprach Heiß von<br />

regulativen Vorgängen: “Offenbar liegen Verläufen dieser Art tieferliegende<br />

regulative Vorgänge zugrunde, die wir als Erlebnis- und Verarbeitungsvorgänge<br />

bestimmen können.” (1982, S. 971). Solche dynamischen Vorgänge mit phasenhaftem<br />

Wechsel von Antriebsmustern und Stimmungsverläufen wären typisch<br />

für Konfliktsituationen oder für das neurotische Verhalten (Heiß, 1956).<br />

Heiß war an den Beziehungen zwischen Anlage und Umwelt, Antrieb und<br />

Hemmung, manifester und latenter Ebene und anderen Gegensätzen interessiert<br />

wie es der Titel der Festschrift zu seinem 60. Geburtstag paraphrasierte “Dynamik<br />

und Dialektik der Person” (siehe Hiltmann & Vonessen, 1963).<br />

Prozessdiagnostik<br />

Wie ist Persönlichkeit als Prozess diagnostisch zu erfassen? Für diese Verlaufsanalyse<br />

wurden psychologische Daten benötigt, in denen sich wiederkehrende<br />

Prozessmerkmale erkennen lassen. Den Zeitverhältnissen entsprechend bezog<br />

sich Heiß in seiner diagnostischen Methodik hauptsächlich auf die Graphologie<br />

(Heiß, 1943) und die projektiven Tests (Heiß, 1949/1950). Hier können sich<br />

Verlaufsgestalten anschaulich entfalten. “Die Verlaufsanalyse ist eine aus seiner<br />

persönlichkeitstheoretischen Konzeption abgeleitete Technik der <strong>Interpretation</strong><br />

diagnostischen Materials” (Groffmann & Wewetzer, 1968, S. 10; siehe auch<br />

<strong>Fahrenberg</strong>, 1968; Hiltmann, Lossen, Muchow & Wewetzer, 1953).<br />

Verwendet wurden hauptsächlich die Protokolle projektiver Tests mit den<br />

Deutungen von Klecksbildern (Rorschach-Test) oder Themenbildern (TAT).<br />

Hinzu kamen andere Verfahren wie Zeichen-Tests und der Farbpyramiden-Test,<br />

in dem mehrere “schöne” und “hässliche” Pyramiden aus Farbplättchen zu struk-<br />

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