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Psychologische Interpretation. - Jochen Fahrenberg

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hen. Erst genauere empirische Untersuchungen lehrten, wie situationsabhängig<br />

und wie veränderlich Persönlichkeitsmerkmale sein können. Die heutige<br />

Definition eines Persönlichkeitsmerkmals als Dispositionsprädikat enthält deshalb<br />

mehrere relativierende und einschränkende Elemente (siehe Asendorpf,<br />

1999). Ein Persönlichkeitsmerkmal wie Introversion – Extraversion ist ein<br />

Dispositionsprädikat. Es bezieht sich auf die Wahrscheinlichkeit, dass sich ein<br />

Individuum unter bestimmten situativen und inneren Bedingungen introvertiert<br />

bzw. extravertiert verhalten wird:<br />

• relativ invariant gegenüber Änderungen der Situation (transsituationale<br />

Generalisierbarkeit über eine Klasse von Situationen);<br />

• zeitlich relativ stabil bei Wiederholung der Situation (zeitliche Stabilität).<br />

In diesem Sinn beschreiben Eigenschaften die relativ invarianten (überdauernden)<br />

Züge einer Person.<br />

Die Aufgabe der Biographik verlangt vorrangig andere Beschreibungseinheiten.<br />

Diese werden je nach Autor als psychodynamische Abläufe, dynamische<br />

Prozesse, wiederkehrende dynamische Sequenzen, Verlaufsgestalten,<br />

Prozessabstraktionen bezeichnet und von den als statisch angesehenen Eigenschaften<br />

abgehoben. Mit “dynamisch” (griech. Kraft) ist gemeint, dass sich unter<br />

dem Einfluss von Kräften etwas verändert, zeitliche Abläufe und Gegensätze zu<br />

erkennen sind. Dieser oft sehr allgemein gehaltene Begriff hat verschiedene<br />

Ursprünge. Dazu gehören nicht nur das psychodynamische Prinzip der<br />

Tiefenpsychologie, sondern auch die Gestaltpsychologie und, noch allgemeiner,<br />

das dialektische Denken, das sich mit Widersprüchen und deren Aufhebung<br />

befasst (siehe Dialektik und Dynamik der Person, Hiltmann & Vonessen, 1963).<br />

Die Beschreibung dynamischer Veränderungen könnte zu einem Kategoriensystem<br />

von Prozesseigenschaften führen.<br />

In der Methodendiskussion der Biographik scheint eine Kontroverse um<br />

Eigenschaft und dynamische Regulation fortzuleben. Dies erinnert an ähnliche<br />

Auseinandersetzungen über vermeintliche Alternativen wie Struktur und<br />

Prozess, Charakter und Temperament, Differentielle Psychologie und Personologie<br />

(Persönlichkeit), entwickelte Persönlichkeit und Lebenslauf, Querschnitt<br />

und Längsschnitt, Situation und Interaktion. Diese Begriffspaare leben fort – so<br />

als ob diese Perspektiven einander ausschließen müssten. Eine Person im dynamischen<br />

Sinn ist keine andere als die, welche auch in ihren relativ überdauernden<br />

Eigenschaften beschrieben werden kann. Es sind verschiedene Sichtweisen,<br />

die sich oft wegen spezieller Fragestellungen und Untersuchungsmöglichkeiten<br />

ergeben.<br />

Hier sind es immer Merkmale einer bestimmten Person in einem Kontext – wie<br />

komplex und dynamisch auch immer die Merkmalsmuster und Merkmals-<br />

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