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Psychologische Interpretation. - Jochen Fahrenberg

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tion banaler Gegebenheiten verführt. Allerdings wäre diese Kurzfassung des<br />

Themas als “Bewältigungsverhalten” auch im Traum kürzer und einfacher zu<br />

erzählen. Was bedeuten die zusätzlichen Elemente psychologisch? Fordern diese<br />

Bilder nicht doch zu weiteren <strong>Interpretation</strong>en heraus?<br />

Lässt sich mit der einfacheren Variante “Bewältigung einer Gefahrensituation”<br />

ein Gegenentwurf zu der weit gefassten psychologischen <strong>Interpretation</strong> “Entwicklungstraum”,<br />

also der Konstruktion einer persönlichen Entwicklung und<br />

Wandlung, ausführen? Nachdem der konkurrierende Entwurf “Angsttraum” und<br />

die Themen “Emotionsunterdrückung” und “soziale Isolierung” bisher kaum überzeugen<br />

konnten, soll noch ein weiteres mal “gegen den Strich” überlegt werden.<br />

Welche psychologische <strong>Interpretation</strong> bzw. welches Thema könnte alle die<br />

Einzelheiten verbinden und dabei heuristisch weiter führen? Wurde etwas übersehen?<br />

Die neutrale Befindlichkeit sowie das Fehlen von Personen und von<br />

Emotionen wurden schon registriert. Zudem fehlen im Text Hinweise auf soziale<br />

Beziehungen. Es gibt keine widerstreitenden Motive und keinen manifesten<br />

Konflikt. Die Dynamik stammt allein aus dem Eisenbahnunglück, der lebensbedrohlichen<br />

Krise und deren Lösung. Deshalb sollte die psychologische<br />

<strong>Interpretation</strong> dieser Thematik im Mittelpunkt stehen.<br />

Welche Gegenentwürfe vermögen den <strong>Interpretation</strong>sprozess weiterzuführen?<br />

(Dies ist auch eine Anregung für andere Interpreten und <strong>Interpretation</strong>sgemeinschaften,<br />

neue <strong>Interpretation</strong>sansätze zu entwickeln.) Der Traum ist zwar kurz<br />

und einheitlich in Raum und Zeit, doch ist seine Mehrdeutigkeit sicher noch<br />

nicht erschöpft. Gibt es neben dem Thema “Entwicklung und innere Reifung mit<br />

einer zu größerer Eigenständigkeit führenden Krise” einen zweiten fundamentalen<br />

Traumgedanken? Welche sexuellen oder aggressiven Impulse könnten hier in<br />

verhüllter Form latent vorhanden sein? Ist die eigentümliche Angstlosigkeit angesichts<br />

der Lebensgefahr vielleicht durch eine Traumzensur peinlicher Motive<br />

verursacht?<br />

Bevor in den folgenden Schritten versucht wird, die Kontexte dieses Traumtextes<br />

zur einer vertiefenden und zu einer vereinfachenden <strong>Interpretation</strong> zu<br />

benutzen, ist ein Hinweis auf alternative Strategien zweckmäßig.<br />

Exkurs zu Freud und Jung<br />

In Lehrveranstaltungen wurde bei der <strong>Interpretation</strong> dieses Textes gelegentlich<br />

gefragt, ob der Traum nicht nach der psychoanalytischen Traumtheorie Sigmund<br />

Freuds oder nach der Psychologie C. G. Jungs ganz anders interpretiert werden<br />

müsse. Freud und Jung sind Autoren, deren Traumtheorien bekannt geworden<br />

sind. Neben ihnen gibt es andere Richtungen und Theorien der Trauminterpretation<br />

(siehe Kapitel 7).<br />

Es war Freuds Idee, zwischen dem latenten Traumgedanken, der einer unbewussten<br />

Bearbeitung und Zensur unterliegt, und dem manifesten Trauminhalt zu<br />

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