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Psychologische Interpretation. - Jochen Fahrenberg

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Gadamer (1990, S. 273) fragte: “Wie soll vorgängig ein Text vor Mißverständnis<br />

geschützt werden?” Wir sollen der eigenen Voreingenommenheit inne<br />

sein, damit sich der Text selbst in seiner Andersheit darstellt und damit in die<br />

Möglichkeit kommt, seine sachliche Wahrheit gegen die “eigene Vormeinung”<br />

auszuspielen. “Wer einen Text verstehen will, ist vielmehr bereit, sich von ihm<br />

etwas sagen zu lassen.” Gadamer wies auf Befangenheiten hin und diskutierte<br />

die Rolle von Autorität und Tradition, doch blieben diese Überlegungen abstrakt,<br />

d. h. ohne praktische Verfahrensweisen. Aus psychologisch-methodischer Sicht<br />

ist diese Auffassung fragwürdig, denn der Text kann eben leider nicht selber<br />

sprechen und sich gegen inkonsistente und dissonante Auslegungen wehren. Es<br />

war Gadamers Absicht, solche Verständigungen über sprachliche Mitteilungen<br />

(Texte und Gespräche), über Sachverhalte und über persönliche Einstellungen<br />

deutlich zu machen. Es waren jedoch vor allem philosophische Reflexionen über<br />

die Möglichkeiten des Verstehens, nicht eine konkrete <strong>Interpretation</strong>slehre zur<br />

konvergenten Sicherung möglichen Wissens.<br />

Auch Ritsert (1972, S. 87) blieb in dieser Hinsicht allgemein: “Gelungen ist<br />

eine Exegese vor allen Dingen dann, wenn sie einen Sinn und Bedeutungskontext<br />

herausarbeiten kann.” Ritsert erläuterte in Anlehnung an Kaplan (1964) zwei<br />

Aspekte der Triftigkeit bei der Rekonstruktion des Kontextes. Eine <strong>Interpretation</strong><br />

ist triftig, wenn alles seinen Platz findet, wobei die Elemente durchaus Komponenten<br />

eines in sich widerspruchsvollen Musters sein können: eine Substruktur<br />

wird einer Struktur eingefügt. Dieses Einpassen in ein Muster geschieht nicht<br />

mechanisch wie bei einem Puzzle. Statt dessen wird die Gesamtstruktur erweitert,<br />

vertieft und verändert. Eine <strong>Interpretation</strong> gilt zweitens als triftig, wenn heuristisch<br />

erschlossen, eventuell sogar vorhergesagt werden kann, welche anderen<br />

Elemente an diesem oder jenem Platz des Musters zu erwarten sind. Als Ergebnis<br />

einer gelungenen <strong>Interpretation</strong> können Strukturelemente neu identifiziert und<br />

verknüpft werden.<br />

Welche anderen und praktisch möglichen Verfahren zur Sicherung einer <strong>Interpretation</strong>,<br />

welche Prüfstrategien, welche Validierungsmöglichkeiten im Hinblick<br />

auf Kriterien und welche Bewährungskontrollen in der Praxis sind hier geeignet?<br />

Welche Qualitätskontrollen der qualitativen und der quantitativen Auswertungsverfahren<br />

gibt es?<br />

Zur Vertiefung dieser zentralen Frage sind mehrere wichtige Gesichtspunkte<br />

und Einschränkungen zu nennen: die Überlegungen zur Gegenstandsangemessenheit<br />

einer Methode und zu den möglichen Operationalisierungsfehlern,<br />

die Effekte der Kommunikation und Interaktion sowie die methodenbedingte<br />

Reaktivität.<br />

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