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Psychologische Interpretation. - Jochen Fahrenberg

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3.2 Prinzipien<br />

Das allgemeinste Prinzip ist die Grundannahme, dass ein gegebener Text (oder<br />

ein anderes menschliches Werk) Bedeutungen hat, welche auf nachvollziehbare<br />

Weise in psychologische Begriffe übersetzt werden können. Historische, literatur-<br />

und kunstwissenschaftliche sowie andere Übersetzungsperspektiven werden<br />

in unserem Zusammenhang ausgeklammert. Viele der im folgenden kurz erläuterten<br />

Begriffe sind mehrdeutig und deshalb missverständlich. Insbesondere die<br />

Begriffe Hermeneutik, Verstehen und Evidenz sind durch lange Traditionen und<br />

unterschiedliche Definitionen belastetet (siehe Kapitel 12).<br />

Partizipation<br />

Das Prinzip der Partizipation, also die Teilhabe am gemeinsamen soziokulturellen<br />

System (Sprache, Tradition, Lernen von Werten und Bedeutungen), liefert die<br />

Begründung, weshalb solche Übersetzungen grundsätzlich möglich sind, auch wenn<br />

dabei einige Einzelheiten unzugänglich bleiben können. Selbst wenn eine gemeinsame<br />

Sprache – wie auf einer ethnologischen Expedition in einem fremden Land –<br />

fehlen würde, müsste es aufgrund der menschlichen Gemeinsamkeiten möglich<br />

sein, die Bedeutungen der meisten Handlungen, Interaktionen und Gegenstände zu<br />

verstehen. In der Tradition der Geisteswissenschaften wird diese Teilhabe am<br />

“objektiven Geist” als die Basis dieses Sinnverstehens gesehen. Aus psychologischer<br />

Perspektive sind dagegen die basalen Gemeinsamkeiten der Verhaltens- und<br />

Erlebnismöglichkeiten der Menschen verschiedener Kulturen hervorzuheben. In<br />

evolutionsbiologischer Sicht müssen auch die genetischen Grundlagen und die<br />

Umweltpassung dieser Erkenntnis- und Kommunikationsformen betont werden.<br />

Kommunikation<br />

Texte sind als Kommunikation verfasst. Ihr Inhalt (das Gemeinte, der Sinn) muss<br />

übersetzt, erläutert und ausgelegt werden, damit er richtig verstanden wird. In der<br />

Tradition der Hermeneutik geht es primär um das Verständnis des Textes als<br />

Mitteilung an die Empfänger. Dagegen bestehen ein Gespräch oder ein biographisches<br />

Interview aus einem zweiseitigen sozialen Prozess zwischen Erzähler<br />

und Zuhörendem. Diese Interaktion zwischen beiden Personen verändert und<br />

bereichert die Aufgabe der <strong>Interpretation</strong>. Wegen dieser Wechselbeziehung sind<br />

jedoch von Anfang an zusätzliche methodische Kontrollen notwendig. In der<br />

psychologischen Berufspraxis gibt es darüber hinaus oftmals noch die Kommunikation<br />

mit dem Auftraggeber der psychologischen Diagnostik.<br />

Hermeneutik<br />

Die Hermeneutik gilt als die universale Methodik der Geisteswissenschaften, um<br />

eine zutreffende Auslegung und ein Verstehen von Texten zu erreichen (siehe<br />

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