peter bürger hiroshima, der krieg und die christen - Friedensbilder
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Nun könnte man erwarten, <strong>der</strong> kirchliche Kulturkampf wi<strong>der</strong> den<br />
Untergang des Abendlandes würde da seine Glaubwürdigkeit entwickeln,<br />
wo er den „Verlust <strong>der</strong> religiösen Dimension in Gesellschaft<br />
<strong>und</strong> Kultur“ wahrnimmt. Der neue Papst gehört bekanntlich zu den<br />
profilierten Diagnostikern <strong>der</strong> Postmo<strong>der</strong>ne in <strong>der</strong> katholischen Kirche:<br />
„In einer Gesellschaft aber, in <strong>der</strong> Gott nicht mehr gemeinsames<br />
<strong>und</strong> öffentliches Summum bonum sein kann, son<strong>der</strong>n ins Private<br />
verwiesen ist, ist <strong>der</strong> Rang Gottes auch für den einzelnen verän<strong>der</strong>t.<br />
Eine Gesellschaft, in <strong>der</strong> <strong>die</strong> eben gezeichnete Bewegung total geworden<br />
wäre, würde ich als post-europäisch bezeichnen.“ (Kardinal<br />
Joseph Ratzinger) Daß unter solcher Aussicht große Probleme auf<br />
<strong>die</strong> menschliche Gesellschaft zukommen könnten, wird seit langem<br />
von ernstzunehmenden Autoren befürchtet. (Wer wie ich noch in<br />
einer konfessionell geprägten Landschaft aufgewachsen ist, kann einige<br />
Probleme des <strong>der</strong>zeitigen Wandels für den Kleinraum sogar aus<br />
seiner Biographie heraus benennen.) Welche Bedeutung wird etwa<br />
dem Begriff „Würde des Menschen“ in einem Gemeinwesen zukommen,<br />
das keinen religiös verwurzelten Gr<strong>und</strong>konsens mehr voraussetzen<br />
kann? 9 (Die frühen Christen <strong>der</strong> ersten drei Jahrhun<strong>der</strong>te wußten<br />
sehr genau, wie man im Staatsinteresse alles relativieren kann <strong>und</strong><br />
hielten deshalb – auch bezogen auf den Krieg – an <strong>der</strong> ausnahmslos<br />
gültigen Unverletzlichkeit des menschlichen Lebens fest.) Kann das<br />
Unbedingte nach Verlust des Religiösen philosophisch gerettet werden?<br />
Verliert es nicht durch jede Art <strong>der</strong> Konstruktion gerade seine<br />
Unbedingtheit? Sind es wirklich nur Unkenrufe, <strong>die</strong> für das ökonomisierte<br />
Europa schon jetzt diskrete Formen <strong>der</strong> „Euthanasie“ ausmachen,<br />
wenn es etwa um alte Mitmenschen geht?<br />
So berechtigt solche Fragen sind, es gibt ebenso berechtigte Einsprüche!<br />
Es stünde besser um das aktuelle Weltgeschehen, wenn in<br />
den Vereinigten Staaten nicht „christliche“ F<strong>und</strong>amentalisten, son<strong>der</strong>n<br />
ausgewiesene säkulare Humanisten auf <strong>der</strong> Regierungsbank säßen.<br />
Der österreichische Kaiser Karl, dem <strong>die</strong> katholische Kirche<br />
9 Weizsäcker 1986, 104 schreibt: „Man darf behaupten, daß menschliche<br />
Gesellschaften nur dann stabil bleiben, wenn ihre f<strong>und</strong>amentalen sittlichen<br />
Normen unerklärt gelten. Tradition <strong>und</strong> religiöse Weihe garantieren <strong>die</strong>se<br />
unerklärte Geltung. Wer anfängt, <strong>die</strong> Normen durch ihren Nutzen für <strong>die</strong><br />
Gesellschaft zu erklären, steht in <strong>der</strong> Versuchung, sie auf sein eigenes<br />
Handeln nur nach eigenem Gutdünken anzuwenden; <strong>die</strong> Normen verfallen<br />
dann allzu leicht dem Mißbrauch als Rechtfertigungsideologie privater<br />
Interessen.“ [o<strong>der</strong>: „staatlicher“ Interessen!]<br />
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